Beim "Tag der Milch" rührt die Branche kräftig die Werbetrommel. Doch hinter den Kulissen kämpfen viele Landwirte um ihre Existenz. Der Handel setzt sie unter starken Preisdruck, ein deutscher Bauernsprecher sieht schon Parallelen zum "Milchkampf" von 2008/09. Auch Österreichs Milchbauern fordern einen höheren Preis.

Kälberstreicheln, Milchkannenkegeln und zum Abschluss in vielen Höfen ein kostenloses Glas Milch - Deutschlands Milchbauern und Molkereien werben am heutigen Montag wieder mit dem "Weltmilchtag". Dabei ist das Bild hinter den malerischen Sonnenblumen-Werbeplakaten wenig romantisch: Die Preise sind zuletzt deutlich gefallen, das Hofsterben geht fast ungebremst weiter. In Deutschland machten allein von Mai bis November 2014 laut Statistischem Bundesamt 1.200 Milchviehbetriebe zu.

Preise abgestürzt

Die Erlöse der deutschen Bauern sind nach zwei starken Jahren 2013 und 2014 mit Preisen von an die 40 Cent pro Liter Milch geradezu abgestürzt, ohne dass eine schnelle Entlastung in Sicht wäre. Sie lägen schon unter 30 Cent und fielen weiter, sagt der Marktexperte Erhard Richarts vom Informations- und Forschungszentrum der Ernährungswirtschaft: "Das kehrt sich nicht so schnell um. Die Baisse verfestigt sich."

Ähnlich die Situation in Österreich: IG-Milch-Obmann Ewald Grünzweil spricht von "Katerstimmung" bei den 30.000 heimischen Milcherzeugern. Sie produzierten zu viel Milch. Derzeit bekomme ein Bauer 30 Cent pro Liter, um das Überleben zu sichern, sollten es aber 50 Cent bzw. 60 Cent bei Biomilch sein.

Druck durch den Handel

Die Milcherzeuger stehen unter enormem Druck durch die großen Handelsketten. Bei der jüngsten Verhandlungsrunde hätten diese die Frischmilchpreise um rund zehn Prozent gedrückt, klagt der Deutsche Bauernverband. Die deutschen Diskonter senkten danach Anfang Mai die Preise für Milch, Butter und Schlagobers teils erheblich - etwa für das Viertelkilo-Packerl Markenbutter von 99 auf 89 Cent und für den Liter Vollmilch von 59 auf 55 Cent.

Das freut zwar viele Verbraucher. Aber die Kosten der noch rund 75.000 deutschen Milchbauern seien mit diesen Erlösen kaum noch zu decken, kritisiert der deutsche Bauernverband. Schließlich erforderten die hohen Qualitätsstandards und ein moderner Tierschutz erhebliche Investitionen.

Wegfall der Milchquoten

Den europaweiten Wegfall der Milchquoten seit dem 1. April sehen Experten nicht als direkte Ursache für den Preisabsturz. Anders als in Nachbarländern wie den Niederlanden oder Polen seien die deutschen Produktionsmengen nicht auffällig angestiegen, sagt der Analyst Andreas Gorn von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI). Dennoch herrscht Milchüberfluss in Deutschland: Schon 2013 produzierte die Branche fast ein Fünftel mehr als für den eigenen Bedarf nötig.

Auf einem gesättigten Markt hielten sich die Erzeuger von Milchprodukten wie Butter, Käse, Milchpulver oder Joghurt mit ihren Bestellungen bei den Molkereien derzeit zurück, weil sie auf noch weiter fallende Preise spekulierten, sagt Gorn.

Drei Cent je Liter

Drei Cent pro Liter blieben den deutschen Milchbauern im bundesweiten Schnitt aktuell noch an Erlös, rechnet Hans Foldenauer vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter vor - für Arbeitslohn, Kapitaldienst, Erhalt der Gebäude, Investitionen und den notwendigen Betriebsgewinn viel zu wenig. Die Situation ähnele langsam dem Milchpreiskampf von 2008/2009, als Bauern europaweit mit Lieferboykott-Aufrufen und Traktor-Sternfahrten gegen den massiven Preisdruck des Handels demonstriert hatten. Zum "Weltmilchtag" wollen sie nun mit Mahnfeuern zum Beispiel in Ulm auf ihre Misere aufmerksam machen.

Das Sterben der Höfe dürfte sich angesichts der schlechten Erlöse wieder deutlich beschleunigen, erwarten alle Experten. Vor allem Nebenerwerbsbauern im Süden Deutschlands droht damit in großer Zahl das Aus.