Nachdenken, kombinieren, Schlüsse ziehen: Seit vielen Jahren war der britische Astrophysiker Stephen Hawking, der am Mittwoch im Alter von 76 Jahren gestorben ist, aufgrund einer schweren Erkrankung (Amyotrophe Lateralsklerose) in seinem Körper gefangen und auf Hilfe von außen angewiesen. "Was blieb ihm anderes als mit seinem Geist, seine eigene Materie zu überwinden?", bringt es der deutsche Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Harald Lesch, der einen kurzen Videonachruf (siehe unten) auf den Verstorbenen bringt, auf den Punkt. Hawking machte keine Experimente, er dachte nach. Als Kosmologe beschäftigte er sich mit dem Ganzen - und entlockte diesem mehr als ein Geheimnis.

>>>Zum Urknall

Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein besagt, dass der Ursprung des Universums im Urknall liegt. Danach hat sich dieses bis zum jetzigen Zeitpunkt immer weiter ausgedehnt. Und es dehnt sich weiter aus. Auch Messungen haben mittlerweile bestätigt, dass das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden ist. Hawking hat gemeinsam mit anderen Forschern den Beweis erbracht, dass die Entstehung des Universums nicht im Rahmen der Relativitätstheorie erklärt werden kann. Sie stößt dabei nämlich an ihre Grenzen. Hawking ging davon aus, dass es auch vor dem Universum eine Art Vorläuferuniversum gab, das schließlich kollabierte.

Gemeinsam mit Roger Penrose schaffte Hawking bereits in den 1960er Jahren eine mathematische Begründung dafür, dass das Universum mit einem Urknall entstanden ist. Er fand heraus, dass sich die Singularität, das sind Zustände, bei denen die betrachteten Raumzeiten (u. a. deren Metrik) in einem einzigen Punkt oder einer komplizierteren Mannigfaltigkeit nicht mehr definiert werden können, in Schwarzen Löchern und im Urknall mathematisch gleichen.

>>>Zu schwarzen Löchern

© (c) EPA (NASA/CXC/M.Weiss HANDOUT)

Ebenso aus der Relativitätstheorie ergibt sich, dass massereiche Riesensterne, wenn ihr Brennstoff-Vorrat aufgebraucht ist, explodieren und dann leuchten. Man spricht dann von einer sogenannten Supernova. Der Kern des Sternes stürzt in der Folge in sich zusammen und kollabiert. Ein sogenanntes Schwarzes Loch entsteht. Dass diese Schwarzen Löcher nur maximal drei Eigenschaften besitzen, haben Hawking und seine Kollegen bewiesen, nämlich Masse, Drehimpuls und elektrische Ladung. In den 1970er Jahren entwickelte Hawking die Theorie, dass Schwarze Löcher Materie nicht nur verschlucken, sondern auch verschwinden können, indem sie Strahlung (Hawking-Strahlung) aussenden und langsam verdampfen. Diese Erkenntnis war für die Astrophysik revolutionär. Der Berechnung der Hawking-Strahlung war nur mithilfe der Quantenmechanik  (das ist die Theorie der kleinsten Teilchen) möglich. Schwarze Löcher hingegen wurden mithilfe der Relativitätstheorie erklärt. Das große Ziel von Physikern ist es, diese beiden, nämlich die Quantenphysik und die Allgemeine Relativitätstheorie, zusammenzuführen zu einer sogenannten "Weltformel".

 >>>Was passiert mit der Information?

In den 2000er Jahren revidierte Hawking schließlich seine Theorie, dass Objekte, die von einem Schwarzen Loch verschluckt werden, verschwinden oder in ein anderes Universum eintreten. Die Quantenphysik baut nämlich auf der Annahme auf, dass Information erhalten bleibt. Wenn allerdings Schwarze Löcher verdampfen, wie in Hawkings Theorie, dann wird dabei scheinbar auch Information vernichtet. Also entwickelte Hawking die Theorie, dass Objekte, die von einem Schwarzen Loch "verschluckt werden, nicht einfach verschwinden, sondern in einer anderen Form wieder "ausgespuckt" werden. Diese Theorie wird nach wie vor sehr kontrovers diskutiert.

>>> Einführung einer imaginären Zeit

Laut der Allgemeinen Relativitätstheorie hat das Universum, wie bereits erwähnt, im Urknall seinen Anfang. Was die Singularität betrifft versagte diese Theorie hierbei aber. Deshalb führte Hawking eine sogenannte "imaginäre Zeit" ein. Dabei handelt es sich um eine mathematische Größe aus imaginären Zahlen, durch die der Unterschied zwischen Raum und Zeit verschwindet. In dieser imaginären Zeit gibt es keinen Unterschied zwischen vorwärts und rückwärts. Sie hat weder Anfang noch Ende. Mit der imaginären Zeit war es Hawking möglich, den Anfang der Zeit auf den Nordpol zu legen. Ansonsten ist dieser Punkt auf der Erdkugel wie jeder andere Punkt auf ihr. Auch dort gelten die Naturgesetze. So wie die Erde als Kugel keinen Anfang und kein Ende hat und somit auch keinen Rand, sei auch das Universum in sich geschlossen, nahm Hawking weiters an. Hawking war überzeugt, dass diese Kein-Rand-Bedingung der Schlüssel zur Frage auf die Antwort, warum die Menschheit existiert, ist.

Der persönliche Nachruf von Harald Lesch: