Weniger Zölle, mehr Warenaustausch, mehr Wohlstand? Der umstrittene europäisch-kanadische Handelspakt CETA wird von Donnerstag (21. September) an europaweit in wesentlichen Teilen vorläufig angewendet. Aber die im Kampf um CETA aufgeworfenen Grundsatzfragen sind noch längst nicht beantwortet.

CETA war im vergangenen Jahr nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen der EU und Kanada unterzeichnet worden. Mit dem Handelspakt werden Zölle und andere Handelsschranken abgebaut. "Davon (geht) ein positives Signal für die Weltwirtschaft und wohl auch ein Wachstums- und Beschäftigungsschub aus", erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch. Ihr Kommissionskollege Valdis Dombrovskis sprach von einem Meilenstein.

Was heute in Kraft tritt

ZÖLLE: Beide Seiten verpflichten sich, Zölle auf Einfuhren erheblich zu senken oder ganz zu beseitigen.

EINFUHR-/AUSFUHRBESCHRÄNKUNGEN: Der freie Import und Export von Waren darf nicht verboten oder eingeschränkt werden. Ausnahmen sind lediglich für Waren vorgesehen, deren Handel bereits beschränkt ist. In der EU gilt dies etwa für Folterwerkzeuge.

INVESTITIONSSCHUTZ: Regelungen zum Investitionsschutz im Rahmen von CETA können erst in Kraft treten, wenn sämtliche EU-Staaten das Abkommen ratifiziert haben. Dabei geht es etwa um die Frage, an wen sich europäische Investoren wenden können, wenn sie den Eindruck haben, in Kanada ungerecht behandelt zu werden. Die EU-Kommission plädiert hier zudem für die Schaffung eines internationalen Schiedsgerichts - das ist aber noch Zukunftsmusik.

Kritiker wurden nicht besänftigt

Kritiker hingegen warnen vor einem Abbau europäischer Standards, Nachteilen für die hiesige Wirtschaft und undurchsichtigen Regeln für den Investorenschutz. Beinahe wäre der Pakt voriges Jahr noch in der Schlussphase der Verhandlungen gescheitert. Die politische Führung der belgischen Region Wallonie hatte die notwendige Zustimmung zur Unterzeichnung des Abkommens verweigert.

Für die EU bedeutete das eine peinliche Hängepartie auf internationaler Bühne - auch wenn EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker den "intensiven Meinungsaustausch" am Mittwoch als "Beweis für den demokratischen Charakter der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene" lobte.

Dieser Prozess ist noch nicht vorbei. Die EU-Staaten und das Europaparlament stimmten dem Handelspakt zwar letztlich zu. Da es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handelt, muss es aber noch in den EU-Ländern von den nationalen - und teils regionalen - Parlamenten angenommen werden, um vollständig in Kraft treten zu können. Bisher haben erst eine Handvoll Staaten das Abkommen ratifiziert. Fristen oder strikte Vorgaben gibt es dafür nicht.

"Es ist inakzeptabel, dass CETA in Kraft tritt, bevor die nationalen Parlamente sich äußern konnten", meint Greenpeace-Handelsexperte John Hyland. "Kanada hat laschere Regeln zur Lebensmittelsicherheit, in der industriellen Landwirtschaft werden mehr Pestizide und genetisch manipulierte Pflanzen eingesetzt - Europas nationalen Parlamente müssen diesen gefährlichen Deal ablehnen."

Jubel und Kritik in Österreich

In Österreich sprach IV-Generalsekretär Christoph Neumayer von einer "Riesenchance" für Österreich durch den transatlantischen Freihandel und von einem "Gewinn für beide Seiten". Die Ängste und Vorurteile entbehrten jeglicher sachlicher Grundlage. Die vorläufige Anwendung von CETA sei ein Schritt zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplätzen.

Für WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth ist das CETA-Inkrafttreten eine "gute Nachricht für Österreichs Wirtschaft". Es handle sich um ein "gut gemachtes und faires" Handelsabkommen, denn das Öffnen neuer Märkte über entsprechende Abkommen mit klar verankerten Spielregeln führe insgesamt zu mehr Chancen. Europa stehe für freien Handel und gegen Abschottung.

Greenpeace Österreich bezeichnete das Abkommen als "Trojanisches Pferd", denn hinter den versprochenen wirtschaftlichen Vorteilen würden Gefahren für hohe Umweltstandards, eine Ausweitung der Macht von Konzernen und Einschränkungen für demokratische Handlungsspielräume stecken. Die regulatorische Kooperation stärke einseitig Wirtschaftsinteressen.

Attac warf unter anderem der EU-Kommission vor, CETA über ein "undemokratisches Durchpeitschen" vorläufig in Kraft zu setzen. Durch das Abkommen würden "demokratische Gestaltungsräume" der EU-Länder eingeschränkt. In der Landwirtschaft würden vor allem Kleinbauern unter CETA leiden, "weil sich der Preisdruck verschärfen wird".