Der Dieselskandal und die Berichte zu hohen Stickstoffbelastungen in deutschen Städten haben den Ruf des Selbstzünders ramponiert. IN Deutschland ist die Zahl der neu zugelassenen Dieselfahrzeuge um 17,9 Prozent gefallen. Auch im "Dieselland" Österreich gibt es ein Minus von vier Prozent, auch wenn noch immer die Mehrzahl der Neuwagen als Diesel ausgeliefert werden.

In der Steiermark haben nun Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft davor gewarnt, die Dieseltechnologie zu schnell abzuschreiben. Diese Antriebsart habe noch viel Potenzial, sagt etwa Helmut List, Vorstand und CEO der AVL List GmbH.

"Wenn wir in die Zukunft blicken, dann sehen wir einen Wettbewerb zwischen drei Technologien: Verbrennungsmotor, Batterie und elektrischer Antrieb sowie die Brennstoffzelle. Sie und ihre Kombinationen konkurrieren um die besten Lösungen", legte List seine Sicht dar. Für ihn sei es keine Frage, dass die weitere Elektrifizierung alle Formen des Antriebs schrittweise voranbringen werde. Daher würde die Forschung bei AVL auch bei allen drei Technologien "mit gleicher Intensität" vorangetrieben.

Stickoxid-Problem kann gelöst werden

"Wir sehen, dass sich die Diesel-Technologie mit großer Kraft voranentwickelt", sagte List. "Mittelfristig kann beim Dieselmotor bei den Stickoxiden ein Level erreicht werden, dass man sagen kann, dass keine schädlichen Auswirkungen auf die Luftqualität vorliegen", schätzte List das Entwicklungspotenzial für die nächsten "fünf bis sieben Jahre" ein. "Es ist daher wichtig, dass der Dieselmotor jetzt nicht auf dem Wettbewerb der Systeme herausgenommen wird", betonte der AVL-Chef.

Nach der Kritik an den Stickoxid-Emissionen beim Diesel habe die Gesetzgebung mit der Einführung der Messung der "Real Driving Emissions" - also die Realemissionen im echten Fahrbetrieb auf der Straße als Grundlage für die Fahrzeugzulassung - geantwortet. Das hat laut List zu einem "Paradigmenwechsel" und innerhalb sehr kurzer Zeit zu großen Fortschritten geführt. Die Stickoxide bei den besten, neuerdings am Markt verfügbaren Dieselfahrzeugen seien innerhalb eines Jahres auf ein Fünftel reduziert worden. Im Bereich der CO2-Emissionen sei der Dieselmotor im Vergleich zum Benzinmotor schon jetzt um 15 Prozent geringer, die Verbrauchswerte von Dieselmotoren seien um rund 20 Prozent niedriger.

Hybrid-Diesel mit weniger Schadstoffen

"Die Grenze des Machbaren ist noch lange nicht erreicht", betonte Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen an der TU Graz. Bei entsprechendem Aufwand und Weiterentwicklung könne mit dem Dieselmotor ein Emissionsniveau erreicht werden, das auch als "zero impact" bezeichnet werde. Die technologischen Ansätze dazu seien neben einer Optimierung der Einspritz- und Aufladetechnik sowie Abgasbehandlung in einer Teilelektrifizierung des Antriebes. Langfristig eröffne sich beim Dieselmotor durch den Einsatz von Kraftstoffen, die auf Basis erneuerbarer elektrischer Energie mittels Elektrolyse und Synthese hergestellt werden (synthetischen Kraftstoffe oder "E-Fuels") ein "sehr großes Potenzial".

Österreichweit würden laut Josef Herk, Präsident der WK an der Fahrzeugproduktion und am Dieselmotor rund 8,6 Mrd. Euro an direkter und indirekter Wertschöpfung und 230.000 Arbeitsplätze hängen. Knapp ein Drittel aller österreichischen Beschäftigten im Sektor Produktion von Kraftwagen würden wiederum in der Steiermark tätig sein.

Temporäre Diesel-Fahrverbote, wie sie immer wieder diskutiert werden, wären laut Herk eine akute Gefahr: Ein Diesel-Fahrverbot in den zehn größten Städten Österreichs würden laut Herk einen volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als fünf Mrd. Euro verursachen. "Die Umweltproblematik nur auf dem Rücken der Autofahrer auszutragen, kann nicht die Lösung sein", zeigte sich Herk überzeugt. "Anstatt mit Populismus und der schnellen Schlagzeile zu punkten, fordere ich von der Politik Seriosität und Verlässlichkeit ein", betonte der steirische WK-Präsident.