Die Plattform "Rettet die Mur" hat am Freitag ein neues Rechtsgutachten des Verfassungsexperten Heinz Mayer vorgelegt. Daraus geht hervor: Die Volksbefragung zum Murkraftwerk, dessen Bauarbeiten bereits begonnen haben, hätte nicht abgelehnt werden dürfen. Seinen Überlegungen zufolge hat der Grazer Gemeinderat "im angefochtenen Bescheid die Rechtslage mehrfach und gravierend verkannt." Daher müsse die Befragung durchgeführt werden. Völlig konträr ordnen die Situation die Juristen im Grazer Rathaus ein, die von einem "nicht nachvollziehbaren Gutachten" sprechen.

Mayer erklärte, dass der Bescheid zur Abweisung "rechtlich nicht haltbar" sei. Der Gemeinderat der Stadt Graz verkenne, "dass eben nicht nur die Frage der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, sondern auch alle sonstigen die Gemeinde betreffenden politischen Entscheidungen und Planungen Gegenstand einer Volksbefragung sein können."

"Fragestellung ist eindeutig"

Der Gemeinderat habe weiters seine Abweisung mit einer Judikatur des Verfassungsgerichtshofs begründet. Diese stützte sich aber auf eine andere Bestimmung als die in diesem Fall relevanten Passagen des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes. Auch die Fragestellung sei - entgegen der Meinung der Stadt-Juristen - eindeutig.

Clemens Könczöl, Sprecher der Plattform, forderte auf Basis des Gutachtens die Durchführung der Volksbefragung: "Kein Politiker hat das Recht den Menschen ihre demokratische Volksbefragung zu nehmen." Die Anfang des Jahres begonnenen Bauarbeiten müssten sofort eingestellt werden.

Konter aus dem Rathaus

Der Grazer Magistratsdirektor Martin Haidvogl schüttelt angesichts des Mayer-Gutachtens den Kopf. "Freundlich formuliert, ist es in keiner Weise nachvollziehbar", sagt der Jurist. "Folgt man Mayers Argumentation, wäre das gesamte steirische Volksrechtegesetz verfassungswidrig." So lege sogar die Bundesverfassung fest, dass Volksbefragungen nur den eigenen Wirkungsbereich betreffen dürften. "Ich würde schon davon ausgehen, dass Professor Mayer die Verfassung kennt", ätzt Haidvogl.

Der Jurist weiter: "Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich so eine Argumentation höre." Die entscheidenden Beschlüsse zum Kraftwerk seien bereits gefällt. "Es wäre doch eine Frotzelei der Bürger, jetzt über noch nicht fix beschlossene Details wie einen noch zu bauenden Radweg oder einen Steg eine Volksbefragung zu machen. Das ganze ist so absurd, dass es schon fast wehtut."

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) verweist auf jene 32.000 Grazer, die 2012 an einer Befragung der ÖVP über das Murkraftwerk teilgenommen hätten und dieses zu 77 Prozent befürworteten. "Jetzt 400.000 Euro für eine Befragung zu einer entschiedenen Sache auszugeben, ist sinnlos." Zudem habe Mayer nicht bewertet, dass die Unterschriften der Projektgegner jahrelang nicht eingebracht worden seien, als die Entscheidungen noch nicht gefallen waren.

Berufung gegen Bescheid

"Rettet die Mur" hat jedenfalls gegen den Bescheid der Stadt eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben. Das Verfahren nach dem Steiermärkischen Volksrechtegesetz ist seither anhängig und erst am Anfang. In der Regel dauern die Verfahren etwa drei Monate, aber das Gericht habe bis zu sechs Monate Zeit zu entscheiden. Einen Baustopp könne es jedenfalls nicht verhängen und außerdem könnte eine Entscheidung in weitere Instanzen gehen. Beim Landesverwaltungsgericht rechnet man laut Sprecher Norbert Mandl nicht damit, noch vor der Grazer Gemeinderatswahl am 5. Februar zu einer Entscheidung zu kommen, zumal nun auch das neue Gutachten in die Bewertungen einfließen müsse.

Erst am Dreikönigstag waren 700 bis 1.000 Menschen bei einem friedlichen Protestmarsch entlang der Mur trotz eisiger Temperaturen mitgegangen. Am 21. Jänner ist ein weiterer Protestmarsch - diesmal in der Innenstadt - geplant.