Herzlich ist der Empfang im Elternhaus von Fußballtrainer Ralph Hasenhüttl, der mit Aufsteiger Leipzig sensationell auf Platz zwei der Bundesliga steht. Drei Stöcke über eine steile Treppe stellen im Norden von Graz kein Problem für Mama Ingrid (77) und Papa Gilbert (80) dar. Topfit zeigt sich das Paar, das seit 51 Jahren verheiratet ist. Die Tanz-Staatsmeister aus dem Jahr 1965 gehen auch heute noch ihrer Leidenschaft nach. „Wir nehmen regelmäßig Trainerstunden. Am liebsten tanzen wir Rumba oder Tango“, verrät Gilbert Hasenhüttl, der sogar noch Snowboard fährt. „Aber das Stiegensteigen ist das Wichtigste. Jede Stufe verlängert das Leben um sieben Sekunden.“

Ein polysportiver Bub

Für den Sohn, das ältere von zwei Kindern, wäre eine Tanzkarriere nichts gewesen. „Er hat bei der Matura mit seiner Schwester toll getanzt, aber das war finanziell nie ein Thema. Um diesen Sport zu betreiben, musst du immer nur zahlen“, erklärt Ingrid Hasenhüttl. Schnell fiel die Entscheidung für Fußball. Mit sechs Jahren ging es zum GAK. Dort blieb der heute 49-Jährige auch. Angebote, andere Sportarten auszuüben, gab es für den polysportiven und groß gewachsenen Buben genug. Tennis, Wasserball, Judo oder auch Basketball zogen den Kürzeren. Zum Glück, wie sich später herausstellte.

Dabei erwies sich die Jugendzeit als keine leichte. „Zugetraut hat dem Ralph kaum einer etwas. Wir haben uns oft anhören können, dass aus ihm nie ein Fußballer wird“, sagt die Mama. Da er zwar im Sport gut war, aber auch ein fauler Kerl, hat sich der Papa Sorgen gemacht. „Ralph, was soll aus dir werden?, habe ich ihn einige Male gefragt. Daraufhin hat er den Kopf gesenkt und war still.“ Mama Ingrid ergänzt: „Mir hat der Ralph immer leidgetan. Ich war überzeugt, dass schon was aus ihm werden wird. Fußball war auch oft der Grund, warum die beiden nicht miteinander gesprochen haben. Aber eines war immer klar: Fußball hat ihn am meisten aufgebaut und ihm Freude bereitet. Das haben wir ihm nie genommen, auch nicht bei schlechten Noten.“

Atemlos blieben die Eltern nicht nur einmal. „Bei einem Nachwuchsturnier ist der Ralph mit dem Kopf gegen die Stange geprallt und ist bewusstlos liegen geblieben. Ich habe mir gedacht, jetzt ist es aus“, erinnert sich Ingrid Hasenhüttl mit leiser Stimme. „Zum Glück ist das gut ausgegangen. Schlimm war auch seine Erkrankung, als er in Aalen Trainer war. Er hat angerufen und nur noch gesagt, dass er irrsinnig große Schmerzen hat. Da sind wir sofort ins Auto eingestiegen und nach Deutschland gerast. Die Niere hat nicht mehr richtig gearbeitet. Die Ärzte haben dann das Hanta-Virus diagnostiziert. Das war das zweite Mal, dass wir gedacht haben, dass es aus ist.“ War es zum Glück nicht.

"Ich habe mein Kind verloren"

Ansonsten standen Erfolgsmeldungen im Vordergrund. Der Durchbruch beim GAK, noch dazu als Goldtorschütze mitverantwortlich für den Aufstieg in die Erste Division, ließ andere Klubs aufhorchen. „Ralph hat mit seiner heutigen Frau Sandra einen Stock tiefer gewohnt. 1989 bin ich nach Hause gekommen und in meiner Küche ist Geschirr gestanden, das ich ihm gegeben habe. Da habe ich einen Weinkrampf bekommen“, erzählt die Mutter. „Ich habe gewusst, ich habe mein Kind verloren, weil er zur Austria nach Wien gewechselt ist. Wer weiß, ob er wiederkommt, habe ich mir gedacht. Er ist nie mehr wieder gekommen.“

Stationen bei Salzburg, in Belgien bei Mechelen und Lierse sowie in Deutschland bei Köln, Fürth und den Bayern München Amateuren folgten. Auch acht Länderspiele mit drei Toren standen am Ende der aktiven Karriere 2004 zu Buche. „Im Nachwuchs von Unterhaching hat er sich seine ersten Sporen als Trainer verdient. Da hat er schnell gesehen, dass er sehr gut mit jungen Leuten umgehen kann, weil er Begeisterung entfachen kann“, meint Gilbert Hasenhüttl. „Die Philosophie von RB Leipzig, auf junge Spieler zu setzen, ist deshalb für meine Begriffe einmalig.“

Und genau jenes Leipzig steht jede Woche im Zentrum des Interesses. Im Wohnzimmer wartet der Fernsehapparat darauf, eingeschaltet zu werden. „Wir schauen jede Pressekonferenz, jede Partie und alle Interviews davor und danach live an. Auf die Spieltermine werden alle Einladungen genau abgestimmt. Wir haben noch keine Partie versäumt“, sagen die Eltern, die bei den Übertragungen immer wieder staunen. „Wir haben keine Ahnung, woher der Ralph diese rhetorischen Fähigkeiten hat. Früher war er sehr introvertiert und hat wirklich nur wenig geredet. Und jetzt geht er da bei jedem großen Medienandrang hin, redet ununterbrochen ohne einen Fehler flüssig dahin. Sein profundes Wissen kommt überall super an, dazu ist er komplett authentisch.“

Im Herbst verfolgte das Ehepaar eine Partie sogar live im Stadion - als Mainz zu Gast in der Red-Bull-Arena von Leipzig war. „Als er da auf der Videoleinwand riesig eingeblendet wurde, am Rasen ein Fernsehinterview gegeben hat und die Fans ,Hasi, Hasi' gerufen haben, ist mir die Gänsehaut aufgestiegen. Ich habe es nicht glauben können, dass ich so etwas erleben darf“, erzählt die Mama voller Stolz. „Noch schöner war es, als er nach dem Spiel zu mir gekommen ist. Da ist er nicht mehr unter Vollstrom gestanden und war wieder mein Bub.“

Vanillekipferl und Rumkugeln

Jener Bub verbringt Weihnachten auch heuer im Kreise seiner Familie, die auch auf einem Bild, das auf dem Pianino im Wohnzimmer seinen Platz hat, zu sehen ist. „Auf dem spielt der Ralph zu Weihnachten immer. Ich könnte ihm ewig zuhören. Er hat sich das selbst beigebracht, nur über das Gehör. Begonnen hat alles mit der Begleitung zu Elton John. Später hat er auch Klavierstunden genommen und spielt auch zu Hause auf seinem Flügel, um sich zu entspannen“, erklärt Ingrid Hasenhüttl, die auch heuer wieder Weihnachtskekse gebacken hat. „Der Ralph stürzt sich immer auf die Vanillekipferl und die Rumkugeln. Die mag er am allerliebsten.“

Die alljährliche Radtour auf den Schöckl soll für den 49-Jährigen auch dieser Tage nicht ausfallen. Wie das Klavierspielen hilft die Natur, herunterzukommen und neue Kräfte zu tanken. „Am glücklichsten ist er in den Bergen, wo Ruhe herrscht. Bei einem Berufseignungstest, den er als Kind gemacht hat, ist herausgekommen, dass er Förster werden sollte“, sagt Gilbert Hasenhüttl lachend. „Es war immer klar, dass er nicht den ganzen Tag in einem Büro arbeiten wird.“

Ein Löwe wie der Papa

Genau in diesem Punkt stellt sich heraus, nach welchem Elternteil der Sohn eher kommt. „Zwar ist der Ralph wie der Papa ein Löwe, aber er ist ganz ein ruhiger Typ, da ist er schon eher mir ähnlich“, sagt die Mama. „Gilbert explodiert gern. Wenn der Ralph so wäre, könnte er diesen Beruf nicht ausüben. Er bleibt immer ruhig, wenn einmal etwas nicht gelingt.“ Der Papa findet den Ausgleich schon jahrzehntelang beim Malen, wie unzählige faszinierende Werke an den Wänden beweisen.

Eine Sammelleidenschaft teilen die Eltern. Und zwar jene, Zeitungsartikel seit Beginn der Karriere ihres Sohnes zu archivieren. „Leider sind es mittlerweile so viele, dass es unmöglich ist, alle zu sammeln.“ Das ist wohl der schönste Beweis dafür, was aus ihrem Sohn geworden ist ...