Bis Samstagabend war Giorgos Katidis, offensiver Mittelfeldspieler bei AEK Athen, bestenfalls Insidern des griechischen Fußballs ein Begriff, nun kennt ihn dank seines schockierenden Hitlergrußes die gesamte (Sport-)Welt. Nachdem der 20-Jährige am Samstagabend gegen Veria den entscheidenden Treffer zum 2:1-Sieg erzielt hat, dreht er jubelnd Richtung Tribünen ab, zieht das Trikot aus, um seinen mit Tattoos übersäten Oberkörper zu präsentieren – und reckt seinen rechten Arm in unmissverständlicher Art und Weise nach oben. Einige Mitspieler und Betreuer versuchen noch, den Arm nach unten zu reißen, doch der Schaden ist längst angerichtet: Die Bilder vom Hitlergruß kursieren rasch im Internet, hunderte Medien berichten.

Lebenslange Sperre für Katidis

Gezielte Provokation oder schlichte Dummheit? Katidis selbst beteuert später via Twitter, keine Ahnung vom ideologischen Hintergrund seiner in Österreich und Deutschland unter Strafe gestellten Geste zu haben, er sei weder Faschist noch Rassist. Er habe auf seinen Mitspieler Michalis Pavlis gezeigt. Der griechische Fußballverband sperrt ihn noch am Sonntag lebenslang für alle Nationalteams. Dabei gilt Katidis als großes Kicker-Talent, noch im Sommer 2012 hatte er als Kapitän des U-19-Teams die Seinen zum Vize-EM-Titel geführt

Als "dumm, naiv, unreif, abenteuerlich" bezeichnet AEK-Coach Ewald Lienen die umstrittene Aktion, stellt sich gleichzeitig aber auch hinter seinen Spieler: Katidis habe definitiv keine Ahnung von Politik und die Geste wohl irgendwo im Internet gesehen. Er lebe "völlig in seiner eigenen Welt" und habe zudem eine schwere Kindheit gehabt, sich aber schon auch andere Verfehlungen im Verein geleistet. Dieser sei im Übrigen dezidiert antifaschistisch. Katidis indes, der nach dem Vorfall in der Kabine geweint haben soll, kommt noch Sonntagabend dem drohenden Rauswurf durch den Verein zuvor und kündigt bei AEK Athen. "Halbbildung ist schlimmer als Unbildung, und das gilt auch in meinem Fall und für die Art, wie ich gejubelt habe", zitieren mehrere griechische Medien aus dem Schreiben.

Der junge Fußball-Profi aus Griechenland ist nicht der Erste, der mit einer schockierenden Geste für Schlagzeilen sorgt. Vor allem in Italiens Calcio, der seit langem mit ultarechten Fan-Gruppierungen und Rassismus in den Stadien kämpft, ist das Liebäugeln mit faschistischen Symbolen alles andere als ein Tabuthema. Berühmt-berüchtigt sind etwa die Auftritte von Ex-Lazio-Star Paolo Di Canio, der aus seiner faschistischen Überzeugung jedoch nie ein Hehl machte. Auf dem rechten Oberarm hat er eine eindeutige Tätowierung: "DVX" steht da von oben nach unten zu lesen, die lateinischen Lettern für "Dux" ("Führer"), Di Canios politische Bekundung für den "Duce" Benito Mussolini. 2008 wird ihm wegen seiner ideologischen Ausrichtung auch Landmann Gianfranco Zola als Coach seines Ex-Klubs West Ham United vorgezogen.

Starke Sprüche, klare Gesten

Der 44-Jährige, bis vor kurzem Trainer des englischen Drittligisten Swindon Town, machte vor allem im Dress von Lazio Rom negativ auf sich aufmerksam. Das Hauptstadt-Derby gegen die AS Roma gilt ohnehin schon als eines der hochexplosivsten Fußballspiele weltweit, die Auflage am 6. Januar 2005 im Stadio Olimpico bleibt jedoch unvergesslich: Der damalige Lazio-Kapitän Di Canio läuft zu seinen Anhängern in die Curva Nord und reckt die Hand zum "Römischen Gruß". Der "Saluto Romano" geht auf Italiens Faschisten-Führer Mussolini zurück, Adolf Hitler wird ihn später in leicht abgewandelter Form zu einem Symbol des NS-Regimes machen.

Di Canios Fans, großteils wie er Mitglieder der rechtsextremen Ultra-Bewegung "Irriducibili" ("Unbeugsamen"), antworten mit derselben Geste. Di Canio muss eine Geldstrafe von 10.000 Euro bezahlen, wiederholt den in Italien verbotenen Gruß aber in zwei weiteren Serie-A-Begegnungen im Dezember 2005, zuerst gegen den "linken" Toskana-Klub Livorno, kurze Zeit später gegen Rekordmeister Juventus Turin. Di Canio soll abermals 10.000 Euro zahlen und kassiert eine Spielsperre. Die Irriducibili organisieren eine Demo vor dem Gebäude des italienischen Fußballverbandes, zudem sammeln sie Geld für die Strafe ein.

2008 legt Christian Abbiati, Goalie des AC Milan, nach. "Ich schäme mich nicht, meine politischen Überzeugungen zu zeigen. Ich teile mit dem Faschismus Ideale wie das Vaterland und die Werte der katholischen Religion. Vom Faschismus verwerfe ich die Rassengesetze, die Allianz mit Hitler und den Einzug in den Krieg. Ich bewundere die Fähigkeit des Faschismus, den Bürgern Ordnung und Sicherheit zu garantieren", gibt er im "Sportsweek", dem Magazin von Italiens rosaroter Sportbibel "Gazzetta dello Sport", zu Protokoll.

Ungewöhnliche Rückennummer

Di Canio und Abbiati sind beileibe keine Einzelfälle: Fiorentina-Akteur Alberto Aquilani etwa gab zu, ein Bild von Mussolini zu besitzen. Roma-Urgestein Daniele De Rossi sympathisiert mit der rechtsextremen Partei "Forza Nuova". Interessant ist der Fall von Abbiatis prominentem Torhüter-Kollegen Gianluigi Buffon, Ikone und Capitano der "Squadra Azzurra", der in jungen Jahren zweimal unangenehm auffiel.

Noch während seiner Parma-Zeit erschien "Gigi" Buffon einmal mit einem T-Shirt mit dem Ausspruch "Boia chi molla" ("Gehängt sei, wer aufgibt") und musste sich vor der Disziplinarkommission rechtfertigen. Als der heutige Juve-Schlussmann mit der ungewöhnlichen Rückennummer 88 spielen wollte, meinte er, dass diese Zahl "vier Eier" habe - "Und beim Fußball braucht man Eier." Im rechtsextremen Milieu gilt 88 als Chiffre, "H" ist der achte Buchstabe des Alphabets, das ergibt "HH" für "Heil Hitler".

Nazismus als "gesundes System"

Natürlich sind rechte Tendenzen im Sport nicht auf den Fußball beschränkt, vor Jahren etwa sorgte Kroatiens Ski-Star Ivica Kostelic für Riesenwirbel, als er seine politischen Ansichten offenbarte. Auf die Frage, warum er im Jänner 2003 den Torlauf von Kranjska Gora gewonnen hatte, antwortete er dem Zagreber Wochenblatt "Nacional": "Das Geheimnis war, dass ich am Start vorbereitet war wie ein deutscher Soldat am 22. Juni 1941."

An diesem Tag wurde nicht nur Rapid Wien mit einem 4:3 über Schalke 04 "großdeutscher" Fußball-Meister, sondern erfolgte vor allem der verheerende Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Kostelic weiter: "Der Nazismus war ein gesundes System für einen ambitiösen Menschen". Beim Dritten Reich habe es sich um "2000 Jahre römische Geschichte, auf zehn Jahre komprimiert, gehandelt". Nach Ansicht von Kostelic war der Kommunismus zudem schlimmer als der Nationalsozialismus. Unter den Nazis habe man als Einzelner nämlich Karriere machen können.