Herr Minister, die aktuelle Asylkrise könnte gerade der Sozialdemokratie dazu dienen, ihr Profil zu schärfen. Die Wortmeldungen aus Ihrer Partei sind aber relativ verhalten. Wieso?
JOSEF OSTERMAYER: Es gibt keine Partei, die bei jeder Gelegenheit so deutlich betont, dass es unsere Aufgabe ist, jenen Menschen zu helfen, die den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention haben. Und dass neben den rechtlichen Normen Schengen und Dublin auch das Rechtsprinzip der Menschenrechte anzuwenden ist. Auch der Wiener Bürgermeister, der im Wahlkampf steht, hat zugesichert, denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen. Auch wenn es vielleicht nicht automatisch stimmenfördernd ist, das zu sagen.

Gerade in Wien sieht es kurz vor der Wahl sogar sehr kritisch aus.
OSTERMAYER: Das ist ja noch nicht entschieden. Ich habe im Umgang mit den Flüchtlingen in Österreich sehr viel Empathie erlebt, höchste Solidarität von Menschen aus der Zivilbevölkerung, von freiwilligen Helfern, auch von der Polizei. Man weiß, dass das kippen kann, wenn das Gefühl entsteht, dass zu viele zu uns kommen. Aber wenn über Flüchtlings-Obergrenzen diskutiert wird, frage ich mich, ab welchem Kind man sagt: das Menschenrecht gilt nicht mehr. Ich kann eine solche Grenze jedenfalls nicht ziehen.  

In Österreich ist die migrantische Teilhabe am Kulturgeschehen kaum ein Thema. Muss man da nicht Schritte setzen, auch angesichts der aktuellen Situation und ihrer Auswirkungen auf die Zukunft?
OSTERMAYER: Im Hinblick auf die Teilhabe ist eine der Fragen: Wie definiert man Migration? Österreich ist immer auch eine Gesellschaft der Migration gewesen; die Ringstraße in Wien etwa wurde bekanntermaßen im wesentlichen von böhmischen und mährischen Bauarbeitern errichtet. Aber heute diskutieren wir einen sehr eng gefassten Migrationsbegriff. Dabei: Wenn Sie so wollen, ist auch die Intendantin des steirischen herbst, Veronica Kaup-Hasler, eine Migrantin, sie hat mir bei der Festivaleröffnung erzählt, dass sie als Eineinhalbjährige aus der DDR nach Wien übersiedelt ist. Und Kulturprojekte mit migrantischem Hintergrund werden ja bereits unterstützt: Umut Dags wunderbarer Film „Risse im Beton“ etwa wurde auch durch die Filmförderung ermöglicht.

Aber eine gezielte Förderung migrantischer Kulturarbeit braucht es aus Ihrer Sicht nicht?
OSTERMAYER: Ich denke nicht. Natürlich müssen wir darauf achten, dass Menschen, die zugewandert sind, in die Gesellschaft integriert werden, da wird etwa der Spracherwerb in Zukunft ein wesentlicher Punkt sein. Und ansonsten muss man schauen, dass Migranten ein Teil der Gesellschaft sind, wie alle anderen. Gerade im Bereich Kunst und Kultur, der tendenziell immer offen für Neues ist, sehe ich aber akut keinen speziellen Bedarf, einer Exklusion entgegensteuern zu müssen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass Förderungen im Bereich der Kunst und Kultur auf den künstlerischen Aspekt abzielen sollten.  

Die Burgtheateraffäre mit der Entlassung von Matthias Hartmann und Sylvia Stantejsky war eine der ersten Bewährungsproben bei Antritt als Kulturminister im Frühjahr 2014. Erst jüngst ist nun bekannt geworden, dass die Verfahren, die die beiden arbeitsrechtlich gegen das Burgtheater angestrengt haben, für ein halbes Jahr auf Eis gelegt sind. Das befördert Spekulationen, man werde sich auf gut österreichisch bald einmal außergerichtlich einigen.
OSTERMAYER: Nein, das ist rein prozessökonomisch begründet. Die arbeitsrechtlichen Verhandlungen wurden unterbrochen, weil es noch strafrechtliche Ermittlungen abzuwarten gilt und es keinen Sinn ergäbe, wenn das parallel läuft. Daher müssen in einem ersten Schritt die strafrechtlichen Ermittlungen entweder zur Einstellung oder zum Verfahren kommen, dann erst wird das arbeitsrechtliche Verfahren fortgesetzt.  

Zieht sich die Causa nicht schon ein bissl endlos? 
OSTERMAYER: Nein. Mir wäre auch lieber, wenn über das diskutiert wird, was auf der Bühne stattfindet als darüber, was hinter der Bühne stattfindet. Und natürlich wäre es das Schönste aus Sicht des Burgtheaters, wenn die Sache mit der Bestellung von Karin Bergmann zur Direktorin beendet worden wäre. Man kann die Vergangenheit aber nicht ausschalten. Ich finde es wichtig, dass diese Dinge am Ende lückenlos aufgeklärt sind und nehme an, das wird im Herbst oder spätestens im Frühjahr nächsten Jahres über den Rechnungshof erfolgen.    

Mit der Burgtheaterkrise hatten Sie einen spektakulären Auftakt, jetzt scheinen Sie mit Themen wie Urheberrechtsgesetz, Spendenabsatzmöglichkeit etc. bei den Mühen der Ebene angelangt. 
OSTERMAYER: Das ist mir aber lieber als der Beginn. Das Burgtheater war in extremer Schieflage, ich habe rasch handeln müssen und damals auch das extreme Glück gehabt, dass Karin Bergmann sich bereit erklärt hat, interimistisch zu übernehmen. Ich habe dann noch die Entscheidung getroffen dass wir das Bundestheaterorganisationsgesetz überarbeiten, die Aufsichtsräte neu besetzen und von 40 auf 30 reduzieren. Und daneben gibt’s verschiedenste Dinge, die wir vorantreiben wollten. Beim Thema Urheberrecht gab es eine sehr gute Zusammenarbeit mit Justizminister Wolfgang Brandstetter, und gemeinsam haben wir jetzt auch ein Projekt aufgesetzt, das viel Staub aufwirbelt, das Haus der Geschichte.  

Weil es in die Neue Burg einziehen soll und eine historische Musikinstrumentensammlung weichen muss – dagegen gab es einige Proteste. 
OSTERMAYER: Es gab Befindlichkeiten, aber ich denke, wir finden eine Möglichkeit, diese wunderbare Sammlung einem breiteren Publikum zu präsentieren. Und ich hoffe, dass das Haus der Geschichte bis zum 100-jährigen Jubiläum der Republik Ende 2018 eröffnet werden kann.   Die Indizien sprechen wohl dafür, wenn Sie das wollen.   Da gibt es noch viele Stolpersteine. Es müssen viele Institutionen zusammenwirken. Wir wollen ja nicht nur das Haus der Geschichte, sondern auch einen Tiefspeicher für die Nationalbibliothek und möglicherweise auch für die Universität Wien, wir planen eine Neugestaltung von Burgtor und Heldenplatz, da gibt es also viele Themen parallel zu bearbeiten, damit das zeitgerecht zu schaffen ist.  

Schön, wenn es für Wien tolle Projekte gibt. Aber was tun Sie für die Bundesländer? Der steirische herbst hat mit einem Budget von rund vier Millionen Euro nicht einmal ein Drittel der Mittel zur Verfügung die allein zur Budgetaufstockung für die Bundestheater aufgewendet wurden.
OSTERMAYER: Es stimmt, der Bund gibt in Wien mehr Geld aus als in den Bundesländern. In Wien finden sich ja auch viele große Einrichtungen, die dem Bund gehören: Staatsoper, Burgtheater, Bundesmuseen, Nationalbibliothek. Aber wir fördern auch Institutionen wie den steirischen herbst, die Diagonale, das Kunsthaus Mürzzuschlag, Camera Austria, Theaterland Steiermark, den Literatuverlag Droschl, Forum Stadt park, dramagraz, den Medienturm, und andere. Das sind steirische Initiativen, aber sie kommen ja auch nicht nur den Steirern zugute. Das Wesentliche ist, dass Bund, Länder und Gemeinden Dinge unterstützen, die gesellschaftliche Relevanz haben. Kunst- und Kulturförderung erfüllt die kompensatorische Funktion, Dinge wahrzunehmen, die noch nicht marktgängig sind, die sich nicht erhalten würden. Das gilt auch für Buchverlage, die Bücher produzieren, die nicht automatisch Bestseller sind. Dass wir das große Erbe, das wir übernehmen durften auf einem internationalen Niveau erhalten, ist für die Kulturnation Österreich wichtig. Unsere Aufgabe ist es also, einerseits diese großen Wiener Häuser am Laufen zu halten, aber auch die Initiativen in den Ländern. Was wir nicht können ist, Kürzungen, die von den Bundesländern vorgenommen werden zu kompensieren. Das geht sich nicht aus.  

Eine schlechte Botschaft angesichts schrumpfender Kulturbudgets.  
OSTERMAYER: Das ist als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise aber eine internationale Entwicklung. In Umterschied zu vielen anderen europäischen Staaten haben wir in Österreich auf Bundesebene das Budget nie gekürzt, ich habe sogar eine Erhöhung erreicht. Auch wenn nicht alle meiner Regierungskollegen damit glücklich sind.  

Sie haben im Frühjahr angekündigt, Sie würden dem Finanzminister so lange buserieren, bis er für die Kultur mehr Geld hergibt. Wie sieht es da für die Periode 2016 bis 2018 mittlerweile aus? 
OSTERMAYER: Ich bin mit dem Finanzminister in gutem Einvernehmen, wie werden in den nächsten Tagen das Budget erstellen, und ich habe von ihm gute Signale.  

Es gibt tatsächlich mehr Geld für die Kultur? Wieviel?
OSTERMAYER: Ich kann und will Ihnen da jetzt keinen Betrag nennen, das wäre taktisch und für das Gesprächsklima nicht geschickt. Aber die Gespräche sind gut.