Wenn es um echte Spitzenpositionen geht, ist Österreich ein echtes Macholand. Als eines der ganz wenigen Länder in Europa hatte Österreich noch nie ein weibliches Staatsoberhaupt oder eine Regierungschefin - sofern nicht Maria Theresia hineingerechnet wird. Die ÖVP stellte mit Grete Rehor 1966 die erste Ministerin, mit Waltraud Klasnic die erste Landeshauptfrau, die FPÖ mit Susanne Riess die erste Vizekanzlerin, die SPÖ 1977 mit Franziska Fast die erste Volksanwältin, mit Barbara Prammer die erste Nationalratspräsidentin. Maria Schaumayer war 1990 die erste Präsidentin der Nationalbank, Irmgard Griss die erste Chefin des Obersten Gerichtshofs, Margot Kraker ist die erste Präsidentin des Rechnungshofs.

Besonders retro war bisher der Verfassungsgerichtshof: Bis 1995 gehörten dem 14-köpfigen Gremium ausschließlich Männer an. 

Erstmals ist nun auch die Spitze des Höchstgerichts in weiblicher Hand. Nach Informationen der Kleinen Zeitung hat sich die türkis-blaue Regierung informell auf Brigitte Bierlein als neue Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs verständigt - die formelle Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 2. Februar. Sie folgt in diesem Amt Gerhart Holzinger nach, der mit Jahresende in Pension ging - als Vizepräsidentin führt Bierlein derzeit die Amtsgeschäfte.

Dem Vernehmen nach wollte Kanzler Sebastian Kurz ganz bewusst eine Frau an die Spitze des Höchstgerichts setzen, der Favorit auf dieses Amt, Christoph Grabenwarter, rückt zum neuen Vizepräsidenten auf. Die Amtszeit der 68-jährigen Bierlein, die als ÖVP-nah gilt, obwohl sie von FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer in den Gerichtshof entsandt wurde, endet Ende 2019. Formell dürfte Bierlein erst Anfang März ihre Amtsgeschäfte aufnehmen.

Der Deal ist Teil eines größeren Personalpakets. Vakant sind derzeit drei Richtersessel im VfGH, einen darf - neben dem Präsidentenposten - die ÖVP, zwei die FPÖ nachnominieren. Heißester Anwärter auf den türkisfarbenen Posten ist Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (wegen der Unvereinbarkeitsperiode kann ein Ex-Minister fünf Jahre lang nicht Präsident werden), in der FPÖ haben Rechtsanwalt Rüdiger Schender und der Linzer Verwaltungsexperte Andreas Hauer die besten Karten. Teil des Deals ist allerdings auch, dass die Nachfolge von Maria Berger am EU-Gerichtshof, deren Mandat Ende 2018 endet, von der ÖVP, nicht von der FPÖ fixiert wird. Die einstige FPÖ-nahe EuGH-Generalanwältin Christine Stix-Hackl ist damit aus dem Rennen.