Der zweite Sitzungstag des Buwog-Prozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte drohte zu Beginn zu einer Wiederholung des ersten zu werden. Einige Verteidiger setzten die „Tradition“ vom Vortag fort und brachten erneut Anträge ein. So wurden beispielsweise anwesende Ermittlungsbeamte und Vertreter der Privatbeteiligten in die hinterste Reihe verbannt, weil Grassers Anwalt Norbert Wess Einsicht in die Unterlagen der Verteidiger in den vorderen Reihen fürchtete.

Eine Stunde nach Sitzungsbeginn ging es dann aber erstmals um die Anklage selbst. In ihrem Eröffnungsplädoyer zeichneten die beiden Staatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk den Tathergang nach, wie er sich aus Sicht der Korruptionsstaatsanwaltschaft zugetragen hat.

"Geld, Gier, Geheimnisse"

Den roten Faden bildeten dabei die drei Worte „Geld, Gier, Geheimnisse“. Grasser wollte laut Marchart und Denk von seinem Amt als Finanzminister profitieren und habe deshalb mit seinen Freunden – Trauzeuge Walter Meischberger, Lobbyist Peter Hochegger und Immobilienmakler Ernst Plech – ein System der „organisierten Kriminalität“ aufgebaut. Grasser habe hier „seine Chance gewittert“ und „Geld in seine Tasche gesteckt“ – zum Schaden des Steuerzahlers. Geschehen sei das laut Staatsanwaltschaft beim Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog) im Jahr 2004 und bei dem Einzug der Finanz in den Linzer Terminal Tower zwei Jahre später. Die vier Hauptverdächtigen, für die die Unschuldsvermutung gilt, sollen bei diesen beiden Projekten Provisitionen gefordert und das Geld in weiterer Folge „kassiert“ haben.

Die Staatsanwaltschaft bemühte ein kleines Rechenbeispiel, um die 10,1 Millionen Euro, die die Angeklagten in Summe erhalten haben sollen, zu veranschaulichen. Der Durchschnittsösterreicher müsse 370 Jahre arbeiten, um zu einer solchen Summe zu kommen, rechneten die beiden Juristen vor. Und mit jenen 2,5 Millionen Euro, die dabei an Grasser gegangen sein sollen, habe sich dieser „ein 21-faches Minister-Jahresgehalt“ zugeschanzt.

Schadensersatz

Im Anschluss an das Plädoyer der Staatsanwaltschaft meldete sich auch die Finanzprokuratur zu Wort, die sich dem Prozess als eine von drei Privatbeteiligten angeschlossen hat. Sie forderte von den Angeklagten Schadensersatz für die Republik Österreich – in Höhe von 9,8 Millionen Euro.

Grasser und die anderen Angeklagten verzogen während des – mit zwei Stunden überraschend kurzen – Plädoyers der Korruptionsstaatsanwaltschaft keine Miene, nur Immobilienmakler Plech schüttelte ab und zu energisch den Kopf. Doch das Blut von Grassers Anwalt Manfred Ainedter war durch das Plädoyer derart in Wallung geraten, dass er aufsprang und die Worte der Staatsanwaltschaft als „Aktenwidrigkeit, freie Erfindung, blühende Fantasie und reine Unterstellung“ bezeichnete. Grasser werde darin als „Satan schlechthin“ dargestellt. Dabei gebe es keine Beweise. An die Schöffen richtete er den Appell, bisherige Medienberichte über seinen Mandanten zu ignorieren, denn „Geld war für Karl-Heinz Grasser nie eine Triebfeder“. Sie sollen sich seine Seite der Geschichte unbefangen anhören.
Dazu haben die Schöffen heute Gelegenheit. Denn die Sitzung wird wohl zur Gänze von Grassers zweitem Anwalt Wess bestritten werden. Dieser will die 825-seitige Anklageschrift in seinem Plädoyer entkräften.