Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat sich in einem Schreiben an die Bundesländer bemüht, ihre Bedenken zum EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA zu zerstreuen. Die am 11. Mai von der Landeshauptleute-Konferenz geäußerten Bedenken seien "auf Basis des fertigen Vertrages sowie mit einer rechtsverbindlichen 'Gemeinsamen Auslegungserklärung' ausgeräumt", schreibt der Vizekanzler.

In seinem mit 14. Oktober datierten Brief verweist Mitterlehner darauf, dass CETA nun ein gemischtes Abkommen sei, womit die Ratifizierung im österreichischen Parlament gesichert sei. Der Staat dürfe regulieren, die Qualitätsstandards Europas seien auch für die Zukunft gesichert. "Auch das Vorsorgeprinzip kann weiterhin angewendet werden, da es im EU-Primärrecht verankert ist und daher von CETA nicht in Frage gestellt wird."

Die Zusammenarbeit bei Regulierungen sei nur auf freiwilliger Basis vorgesehen und könne daher keine rechtsverbindlichen Akte setzen. An Stelle der privaten Schiedsgerichte gebe es nun ein Investitionsgerichtssystem mit einer Berufungsinstanz. "Zudem sind die Fälle, in denen das Gericht angerufen werden kann, sehr eng begrenzt - auf entschädigungslose Enteignung, Rechtsverweigerung oder gezielte Diskriminierung eines kanadischen Investors", schreibt Mitterlehner. Außerdem werden diese neuen Schiedsgerichte erst nach der Ratifizierung des Vertrags in allen nationalen Parlamenten eingesetzt.

Die Bundesländerstellungnahme an die Bundesregierung vom 11. Mai war im Frühsommer auch vom Nationalrat übernommen worden. Aus Sicht der Grünen verlangt diese Stellungnahme verfassungsrechtlich ein "Nein" zu CETA, wie sie zuletzt weiterhin betonten. Im Text hatte es unter anderem geheißen:

  • Die bestehenden hohen Qualitätsstandards (etwa für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz) müssen aufrecht erhalten bleiben.
  • Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen.
  • Freihandelsabkommen sind als gemischte Abkommen abzuschließen und bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit auch der Genehmigung durch die nationalen Parlamente.

Greenpeace richtete einen Tag vor dem geplanten beschluss in Ministerrat und EU-Handelsministerrat sechs Fragen an Bundeskanzler Christian Kern (SPPÖ) und Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP), die sich auf das Durchhalten der österreichischen Linie bzw. auf den Entscheidungsspielraum der Fraktionen im Parlament beziehen.

101 Rechtsprofessoren aus 24 europäischen Staaten appellieren indes unverdrossen an die die europäischen Entscheidungsträger, den Investitionsschutz aus Ceta und TTIP überhaupt zu streichen, wie Attac Österreich gestern berichtete.  Ein paralleles Rechtssystem unterwandere die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union bzw. ihrer Mitgliedsländer.