Die "kalte Progression" frisst jede Entlastung durch eine Steuerreform innerhalb weniger Jahre auf, weil die Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen in höhere Steuerklassen rutschen und dadurch wieder mehr Lohnsteuer zahlen. Bei der jüngst in Kraft getretenen Reform dürfte es 2018 oder 2019 soweit sein. Dies will der Finanzminister künftig durch einen Automatismus wettmachen.

Wie aus dem der in der SPÖ zuständigen Staatssekretärin Sonja Steßl übermittelten Papier (es liegt der APA vor) hervorgeht, wünscht sich Schelling eine Anpassung der Tarifstufen (auf ganze 10, 50 oder 100 aufgerundet) anhand eines Preisindex, berechnet und veröffentlicht von der Statistik Austria. Um einen Tarif für ein bestimmtes Kalenderjahr festzulegen, soll auf die Preisentwicklung vom 1. Juli zum 30. Juni abgestellt werden. Für 2017 wäre also der Zeitraum 1.7.2015 bis 30.6.2016 relevant. Im September 2016 könnten damit die Tarifstufen für das kommende Jahr per Verordnung verlautbart werden.

Eine Anpassung der Stufen gibt es aber erst, wenn der Fünf-Prozent-Grenzwert tatsächlich überschritten ist. Wenn also beispielsweise am 1.7.2018 die Inflation seit 1.7.2015 bei 5,7 Prozent liegt, dann würden die Tarifstufen erstmals 2019 erhöht, und zwar genau um diese 5,7 Prozent.

Kosten soll all das rund 400 Mio. Euro pro Jahr. Eine Gegenfinanzierung ist aus Sicht des Finanzministeriums nicht nötig, weil das Geld ohnehin wieder in den Konsum fließe und erhöhte Steuereinnahmen auslöse, wie es am Freitag gegenüber der APA hieß.

In der SPÖ hatte man dazu zuletzt betont, dass man zwar die "Kalte Progression" abschaffen bzw. deren Effekte "abmildern" wolle, die Politik aber "Spielraum und Handlungsfähigkeit" behalten müsse. Im ÖGB/AK-Steuerkonzept heißt es dazu etwa: "Wenn nach dem Inkrafttreten einer Absenkung des Einkommensteuertarifs die Inflation - gemessen durch die Veränderung des jährlichen kumulierten Verbraucherpreisindex - fünf Prozent übersteigt, dann hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Beseitigung der bis dahin entstandenen Auswirkungen der kalten Progression zu beschließen. Diese Maßnahmen müssen spätestens im Folgejahr wirksam werden."

Die SPÖ äußerte am Freitag mehrere Einwände gegen den Vorschlag von Finanzminister Schelling. Im Ö1-"Mittagsjournal" sprach sich Staatssekretärin Steßl gegen einen Automatismus und für die stärkere Valorisierung unterer Einkommen aus. Grundsätzlich gab sich Steßl nicht ablehnend und stellte eine gemeinsame Lösung in Aussicht. Eine automatische Inflationsanpassung der Einkommenssteuer-Stufen lehnte sie aber ab. "Politiker sind gewählt, um Entscheidungen zu treffen", begründete sie dies.

Die Grünen unterstützten die Abschaffung der kalten Progression im System der Einkommensteuer, Knackpunkt ist für sie aber die Finanzierung. Budgetsprecher Bruno Rossmann sprach sich daher in einer Aussendung am Freitag für die Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer aus. Von der ÖVP kam umgehend Ablehnung.