Der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich neigt sich dem Ende entgegen. Der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron warb in seiner letzten Kundgebung am Donnerstag um linke Wähler, die seinem Programm skeptisch gegenüberstehen. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen schwor ihre Anhänger bei einem Auftritt in Nordfrankreich auf das Finale ein und präsentierte sich erneut als "Stimme des Volkes".

An diesem Freitag ist der letzte Tag des Wahlkampfs, danach dürfen Medien keine neuen Interviews mit den Finalisten mehr veröffentlichen. Die Stichwahl am Sonntag wird in ganz Europa mit Spannung erwartet: Sie gilt wegen Le Pens Anti-EU-Kurs als Richtungsentscheidung für den Kontinent. Der pro-europäische Ex-Wirtschaftsminister Macron geht als Favorit in das Duell. Umfragen sahen den 39-Jährigen zuletzt bei 59 bis 60 Prozent, Le Pen lag bei 40 bis 41 Prozent. Als Unbekannte gilt allerdings die Zahl der Nichtwähler und Enthaltungen.

Ein Sieg Le Pens würde die Europäische Union in eine möglicherweise fatale Krise stürzen. Die Kandidatin der rechtsextremen Front National (FN) will in Frankreich wieder eine nationale Währung einführen und ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft ansetzen.

Beide Kandidaten warben am Donnerstag bei Freiluftkundgebungen um Wähler. Der 39 Jahre alte Ex-Wirtschaftsminister Macron appellierte im südfranzösischen Albi an die Anhänger des Linkspolitikers Jean-Luc Melenchon, der im ersten Wahlgang vor knapp zwei Wochen ausgeschieden war. Er lobte die "demokratische Vitalität" von Melenchons Bewegung "Das aufsässige Frankreich". Der Linkskandidat hatte im ersten Wahlgang 19,6 Prozent der Stimmen bekommen. Er ist zwar gegen Le Pen, gab aber keine klare Wahlempfehlung für Macron ab. Viele seiner Anhänger liebäugeln mit einer Enthaltung, weil sie Macrons wirtschaftsfreundliche Positionen ablehnen.

Le Pen wies Kritik an ihrem aggressiven Auftreten im einzigen TV-Duell mit Macron am Mittwochabend zurück. Sie habe "die Wut dieser stillen Mehrheit ausgedrückt", "was das System weder sehen noch hören will". "Meine Worte waren nur das Echo der sozialen Gewalt, die in diesem Land explodieren wird", sagte sie. Macron warf ihr in einem Interview der Zeitung "Le Parisien" einen "Kult der Lüge" vor. "Die Lösung für jedes Problem ist die Zerstörung des Fremden, die Spannung mit den Nachbarländern, die Demagogie gegenüber unseren Mitbürgern und die persönliche Beschimpfung", sagte er.

Die gemäßigten Kräfte der französischen Politik haben sich hinter Macron gestellt. In Deutschland haben sich sowohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz klar für Macron ausgesprochen. Am Donnerstag unterstützte auch der frühere US-Präsident Barack Obama den früheren Wirtschaftsminister: "Er hat sich für liberale Werte eingesetzt", sagte er in einem Video. "Er spricht die Hoffnungen der Menschen an, nicht ihre Ängste."

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping warnte am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" davor, den unabhängigen Kandidaten Macron "zur Lichtgestalt" zu erheben. "Das Beste, was ich über ihn sagen kann ist, dass er nicht Marine Le Pen ist und dass er uns hoffentlich hilft, sie zu verhindern." Macron stehe für eine Politik, die den Unmut in Frankreich steigern werde.

Beide Kandidaten haben an diesem Freitag noch Interviews vorgesehen, andere Auftritte sind nicht angekündigt. Am Samstag können dann schon die ersten Franzosen ihre Stimme abgeben: In manchen französischen Überseegebieten wird wegen der Zeitverschiebung schon einen Tag früher gewählt. Zentrale Herausforderungen für den Wahlsieger werden die hohe Arbeitslosigkeit und der Kampf gegen den Terror sein.

Mit einem Banner am Pariser Eiffelturm warnte unterdessen Greenpeace vor einem Wahlsieg der rechtspopulistischen Präsidentschaftskandidatin Le Pen. Aktivisten der Umweltschutzorganisation befestigten das 300 Quadratmeter große Banner mit den Losungen "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" und "Widerstand leisten" am Freitag in luftiger Höhe am Wahrzeichen der französischen Hauptstadt.

Mit der Aktion zwei Tage vor der entscheidenden Stichwahl um das Präsidentenamt will Greenpeace nach eigenen Angaben vor den Risiken eines Le-Pen-Siegs warnen. "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Es ist mehr als dringlich, diese Werte zu verteidigen, die von der Front National besonders bedroht werden", sagte der Generaldirektor von Greenpeace Frankreich, Jean-Francois Julliard. Ein Erfolg der Rechtspopulistin würde auch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen gefährden.

Die Pariser Polizeipräfektur sprach angesichts der Aktion von Fehlern bei den Sicherheitsvorkehrungen rund um den Eiffelturm. Die Behörde setzte eine Sitzung an um zu prüfen, wie die Aktivisten auf das Monument klettern konnten. Wegen der Anschlagsgefahr gelten unter anderem an Touristenattraktionen erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.