EU-Ratspräsident Donald Tusk hat eine Verantwortung für den Konflikt mit der polnischen Regierung um seine Wiederwahl zurückgewiesen. "Ich bin nicht derjenige, der für die Auseinandersetzungen verantwortlich ist", sagte Tusk am Mittwoch in Brüssel. Er habe als Ratspräsident immer politische Neutralität gewahrt und werde dies auch in Zukunft tun. Es sei aber auch seine Aufgabe, "europäische Werte und Prinzipien zu schützen".

Der EU-Gipfel entscheidet heute über eine zweite Amtszeit für den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Tusk, dessen liberal-konservative Bürgerplattform (PO) in seiner Heimat in der Opposition ist. Die rechtsnationale Regierung in Warschau wirft Tusk Einmischung in die polnische Innenpolitik vor und lehnt seine Wiederwahl ab. Sie hat mit dem Europa-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski einen Gegenkandidaten aufgestellt.

Die Entscheidung über Tusks zweite Amtszeit kann von den Staats- und Regierungschefs per Mehrheitsbeschluss getroffen werden. Nötig sind dafür 21 der 28 Mitgliedstaaten. Außer Polen hat bisher keine andere EU-Regierung ihren Widerstand gegen Tusk erklärt.

"Ernsthafte Gespräche mit Ungarn"

Ungarns umstrittenes Gesetz zur Einsperrung von Asylbewerbern ruft indes nun auch die EU-Kommission auf den Plan. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos werde zu "ernsthaften Gesprächen" mit der Regierung nach Ungarn reisen, hieß es am Mittwoch aus Brüssel.

Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orban verfolgt eine Politik der strikten Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Das ungarische Parlament hatte am Dienstag beschlossen, dass Flüchtlinge künftig in Transitzonen an der Grenze zu Serbien festgehalten werden, bis über ihr Asylverfahren endgültig entschieden wird. Diese Praxis galt bereits zuvor für jene Personen, die innerhalb von acht Kilometern von der serbischen Grenze aufgegriffen wurden.

In Zukunft werden alle auf ungarischem Staatsgebiet aufgegriffenen Migranten in diese Zonen gebracht. Das Festhalten an der Grenze gilt dann zudem auch für "verletzliche Personen" wie unbegleitete Minderjährige, Kranke oder Familien mit kleinen Kindern. Bisher wurden diese in Flüchtlingsunterkünften anderswo im Land untergebracht.

Risse durch das Gefüge der EU

Vor dem heute beginnenden EU-Gipfel regieren Vorwürfe. Man spricht übereinander statt miteinander. Die Flüchtlingspolitik ist nur ein Beispiel. Viele verlieren die Geduld. Österreichs Kanzler Christian Kern drohte den östlichen EU-Staaten zuletzt finanzielle Konsequenzen an, wenn sich der Lösung der Migrationsfrage verweigern oder Steuerdumping betreiben. Eigentlich wollten die nach dem Brexit verbleibenden EU-Staaten am 25. März in Rom eine Erklärung über die gemeinsame Zukunft abgeben. Aber bisher ließ sich nicht einmal ein Minimalkompromiss erzielen.