Rund drei Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit hat US-Präsident Barack Obama zu einem ungewöhnlich harten Schlag gegen Russland ausgeholt. Als Reaktion auf mutmaßlich russische Hackerangriffe während des Präsidentschaftswahlkampfes verhängte er am Donnerstag Sanktionen gegen die Geheimdienste GRU und FSB sowie gegen mehrere Personen und Unternehmen.

Zudem verwies das Außenministerium 35 Russen mit Diplomatenstatus des Landes, die es der Spionage bezichtigte. Moskau reagierte erbost und kündigte eine "angemessene" Reaktion an.

Die russischen Gesandten sollen die USA innerhalb von 72 Stunden verlassen. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, der russische Botschafter in den USA, Sergej Kisljak, sei nicht betroffen. Außerdem sollen zwei russische Niederlassungen in New York und Maryland geschlossen werden, die nach Darstellung Obamas ebenfalls zu Geheimdienstzwecken genutzt wurden.

Der Präsident deutete erneut an, es könne einen verdeckten Gegenangriff geben, und kündigte weitere Maßnahmen an, "von denen einige nicht öffentlich gemacht werden" sollten. Einzelheiten nannte er nicht. Die Bundespolizei FBI und das Heimatschutzministerium legten einen Bericht über technische Einzelheiten der mutmaßlichen russischen Angriffe vor.

Russland sei in der Vergangenheit mehrfach öffentlich wie auch hinter den Kulissen verwarnt worden, erklärte Obama auf Hawaii, wo er die Feiertage verbringt. Die Strafmaßnahmen seien "eine notwendige und angemessene Antwort" auf den Versuch, den Interessen der USA zu schaden. "Alle Amerikaner sollten von den Aktionen Russlands alarmiert sein." Die Cyberangriffe könnten nur von höchsten Ebenen in der russischen Regierung angeordnet worden sein, erklärte er.

Obama beschuldigt Putin

Die USA beschuldigen Moskau, sich mit Hackerattacken in die Präsidentschaftswahl eingemischt zu haben. Obama machte den russischen Präsidenten Wladimir Putin schon vor wenigen Tagen persönlich dafür verantwortlich. Die Vorwürfe beruhen auf Geheimdiensterkenntnissen. Die von der Enthüllungsplattform Wikileaks verbreiteten E-Mails der Demokratischen Partei hatten interne Machtkämpfe im Stab von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton offenbart. Das schadete ihrem Wahlkampf massiv, sie unterlag letztlich dem Republikaner Donald Trump.

Obama machte deutlich, dass es ihm nicht nur um die Hackingvorwürfe gehe, sondern auch um die Behandlung von US-Diplomaten in Russland. Diese seien im vergangenen Jahr von russischen Sicherheitsdiensten und Polizisten "in unannehmbarer Weise" schikaniert worden.

Die neuen Entwicklungen am Donnerstag markieren einen Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen den USA und Russland seit dem Ende des Kalten Krieges. Diese hatten sich in den vergangenen Jahren wegen des Ukraine-Konflikts nach der russischen Annexion der Krim und des syrischen Bürgerkriegs ohnehin stark verschlechtert.

Trump wartet ab

Der designierte Präsident Trump sah zunächst davon ab, die Maßnahmen der amtierenden Regierung zu bewerten. Er kündigte an, sich in der kommenden Woche mit Vertretern der Geheimdienste zu treffen und von ihnen "über die Fakten in dieser Situation unterrichten" zu lassen. Trump betonte, Amerika müsse nun nach vorne schauen: "Es ist an der Zeit für unser Land, sich größeren und besseren Dingen zu widmen."

Der um bessere Beziehungen zu Russland bemühte Republikaner hat bisher starke Zweifel an den geheimdienstlichen Erkenntnissen geäußert. Die Einschätzung, dass sie teilweise darauf abzielten, ihm zum Wahlsieg zu verhelfen, nannte er "lächerlich".

Russland will die Sanktionen nicht unbeantwortet lassen. "Ich kann noch nicht sagen, wie die Antwort ausfallen wird, aber soweit wir wissen, gibt es zum Prinzip gleicher Gegenmaßnahmen keine Alternative", zitierte die Nachrichtenagentur Tass Dmitri Peskow, den Sprecher Putins.

"Elefant im Porzellanladen"

Peskow kündigte "angemessene" Vergeltungsmaßnahmen an und warf Washington vor, die Verbindungen zu Moskau "zerstören" zu wollen. Die russische Botschaft in London warf den USA Methoden aus der Zeit des Kalten Krieges vor. "Präsident Obama weist 35 (russische) Diplomaten aus in einem Kalten Krieg Deja-vu", erklärte sie im Kurzbotschaftendienst Twitter. Dazu veröffentlichte sie das Bild einer Ente mit der Aufschrift "lahm" in Anspielung auf scheidende US-Regierungen, die als "lame duck" (lahme Ente) bezeichnet werden.

Peskow warf Obama vor, sich "wie ein Elefant im Porzellanladen" zu verhalten. Er gehe aber davon aus, dass die künftige Trump-Regierung die "ungeschickten" Maßnahmen Obamas rückgängig machen werde.

Trump könnte die Sanktionen nach seinem Amtsantritt am 20. Jänner tatsächlich umgehend aufheben. Allerdings hätte er dabei wohl mit erheblichem Widerstand in seiner eigenen Partei zu kämpfen. Etliche Mitglieder fordern eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gegen Moskau. Die mächtigen republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham traten für noch härtere Maßnahmen gegen Russland ein. Obamas Schritte seien längst überfällig gewesen und letztlich nur ein "kleiner Preis" für Moskau, hieß es in einer Erklärung der beiden.

Aus dem Weißen Haus hieß es, das Maßnahmenpaket sei ein wichtiges Warnsignal für Russland. "Wir haben jeden Grund zur Annahme, dass sie sich auch weiterhin in demokratische Wahlen einmischen werden, darunter von einigen unserer europäischen Verbündeten", sagte ein Regierungsbeamter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Auch in Deutschland gibt es Befürchtungen, dass es im Vorfeld der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu Hackerangriffen kommen könnte.

Der Bericht zu den technischen Einzelheiten der Angriffe ist die erste offizielle Stellungnahme des FBI zu den Vorwürfen. In dem 13 Seiten langen Dokument werden die mutmaßlichen russischen Maßnahmen unter dem Codenamen "Grizzly Steppe" geführt. Demnach soll der FSB seit Mitte 2015 E-Mails mit bösartigen Links an mehr als 1.000 Empfänger geschickt haben, darunter einige in der US-Regierung.

Aus mit der Sache vertrauten Kreisen verlautete, der Bericht bestätige im Wesentlichen die bereits veröffentlichten Befunde von privaten Sicherheitsfirmen wie CrowdStrike. Viele der Informationen seien nicht neu. Das FBI, der Geheimdienst CIA und der Leiter der Nationalen Geheimdienste haben sich überzeugt gezeigt, dass Russland hinter einer Serie von Angriffen auf Computer der Demokraten vor der Wahl am 8. November steckt.