"Es ist eine grauenhafte Geschichte. Man sieht, was in der Republik Österreich getrieben wird": Am vergangenen Mittwoch wurden einem Landwirt in der Südoststeiermark 20 Jungstraußen behördlich abgenommen, die Bezirkshauptmannschaft hatte zuvor ein Tierhalteverbot ausgesprochen. Der Straußenbesitzer fühlt sich als Opfer behördlicher Willkür und will nun alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen – gegen den Staat, den er als solchen nicht anerkennt: Er bezeichnet sich selbst als Bürger des Staates Steiermark und des Staatenbundes Österreich. In Kärnten steht nun erstmals in Österreich ein Polizist vor Gericht, der den Staat nicht mehr anerkennt. Die mögliche Strafe bei Verurteilung reicht hier von einem Verweis bis zur Entlassung.

Fällen häufen sich

Eine Woche zuvor war im Bezirk Melk (Niederösterreich) ein 68-Jähriger verhaftet worden, der seit 2014 als selbsternannter Sheriff Mitarbeiter von Bezirkshauptmannschaften, Gerichten und Polizei bedroht hatte. Er weigerte sich, Verwaltungsstrafen wegen Verkehrsdelikten zu bezahlen und wollte seinerseits Geld aus dem Privatvermögen von Behördenvertretern einfordern. So drohte der 68-Jährige damit, im US-Handelsregister Uniform Commercial Code (UCC) fiktive Schulden einzutragen; die "Schadenssummen" setzte er zwischen 25.000 und einer Million Euro an. Dazu verwendete der Mann Schriftsätze und Formulierungen, die der Polizei von staatsfeindlichen Verbindungen wie dem aus den USA stammenden "One People's Public Trust" bekannt sind.

"OPPT", "Freemen", "Souveräne Bürger", "Terranier", "Reichsbürger": Derzeit sind der Exekutive rund 1100 Aktivisten dieser teils höchst unterschiedlichen Grupppierungen in Österreich namentlich bekannt, dazu kommen etwa 20.000 Sympathisanten. Ende Oktober hatte das Innenministerium ihre Anzahl noch auf gut 750 Personen geschätzt. Woher speist sich der stete Zulauf? "Wir beobachten eine verstärkte Präsenz im Rekrutierungsbereich. Neue Mitglieder werden nicht nur im Internet, sondern auch durch persönlichen Kontakt angeworben, auf öffentlichen Plätzen oder in Gasthäusern", erläutert Wolfgang Zöhrer, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT).

Das Phänomen sei international, die Bewegungen wären auch in den Nachbarländern wie Deutschland, der Schweiz, Italien, Tschechien oder der Slowakei aktiv. "Schuld" am Zulauf habe laut Zöhrer vielleicht auch die verstärkte mediale Berichterstattung der vergangenen Monate: Am 19. Oktober 2016 hatte ein "Reichsbürger" bei einer Razzia im fränkischen Georgensgmünd auf Polizisten geschossen, ein Beamter erlag später seinen schweren Verletzungen. „Es gibt jedenfalls auch Tendenzen zum Rechtsextremismus. Das beobachten sowohl die deutschen Kollegen als auch wir beim Verfassungsschutz“, schildert Zöhrer.

"Die Gruppierungen haben eines gemeinsam: dass sie staatliche Strukturen ablehnen", erklärte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, am vergangenen Dienstag bei einer Informationsveranstaltung im Innenministerium. An dieser nahmen Mitarbeiter des Innen- und Justizressorts, Vertreter der Finanzprokuratur, der Zivilschutzverbände, des Gemeinde- und Städtebundes sowie Landesamtsdirektoren und Bezirkshauptleute teil.

"Ämter stark betroffen"

Öffentlich Bedienstete sind besonders betroffen: "Ämter werden im wahrsten Sinn des Wortes mit Papier zugeschüttet", sagt Kogler; Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) spricht im Zusammenhang mit dem Modus Operandi gar von "Papierterroristen". Eine andere beliebte Masche ist es, bei Verkehrskontrollen Amtshandlungen zu behindern, teils werden auch gefälschte Autokennzeichen und Fantasiedokumente eingesetzt. Videos dieser Aktionen würden dann im Netz landen, Multiplikationseffekt ausdrücklich gewünscht.

"Sie betrachten Österreich als eine Firma, mit der sie keinen Vertrag haben. Es werden zudem Parallelstrukturen aufgebaut, mit eigenen Gerichten und Sheriffs", sagt Zöhrer. "Reichsbürger" und Co. würden aus allen Gesellschaftsschichten kommen. Der Jurist über ihre Motivation: "Bei einigen spielt vielleicht eine generelle Enttäuschung mit der Rechtsordnung eine Rolle. Oder sie stecken in finanziellen Schwierigkeiten und nehmen das zum Anlass, dem entkommen zu können."

Wie begegnet der Staat seinen erklärten Feinden? Von konkreten Führerscheinentzügen ist dem stellvertretenden BVT-Direktor nichts bekannt, bei Waffenbesitzern greift die Verlässlichkeitsprüfung. Bei Delikten wie Drohungen oder Nötigungen kommt es zu Verhandlungen vor dem Strafgericht. Damit es erst gar nicht dazu kommt, dafür soll der neue Paragraf 246a StGB sorgen, dessen konkreter Gesetzestext derzeit zwischen Justiz- und Innenressort akkordiert wird. "Diese neue Bestimmung könnte dann vielleicht im Mai den Justizausschuss passieren", erklärt Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium. "Wir wollen nicht warten, bis eine konkrete Tat passiert, sondern schon eingreifen, wenn jemand beginnt, sich von der Republik Österreich zu verabschieden."