Stehende Ovationen, ein Lied als Zugabe, und ein sichtlich berührtes, aber auch restlos begeistertes Publikum. "Jedem das Seine", das als Volksstück deklarierte, vielschichtige Schlüsselwerk über den NS-Wahnsinn und die grauenhaften Todesmärsche ungarischer Juden wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs, ist nicht nur im Grazer Schauspielhaus bestens angekommen, es hätte eindringlicher und berührender kaum auf die Bühne gebracht werden können.

Langer Nachhall

Regisseur Sandy Lopicic reicherte die Geschichte rund um eine Gruppe von  Deportierten, die in einer Scheune landen und dort, um all ihre Verzweiflung zu überspielen, die Operette "Wiener Blut" aufführen, zusätzlich mit jüdischer Volksmusik an, die tief unter die Haut geht. Nicht zusätzliches Mitleid schaffen will er damit, ihm gelingt eine Mischung aus einem gespenstischen Totentanz und einem Galgenlied für die Mörder, dessen Nachhall bis in die Gegenwart reicht. Und er beweist auch, wie viel Sprachmusik sich in diesem Stücktext befindet.

Galgenhumor

"Die Welt da draußen will uns töten. Deshalb müssen wir so tun, als wären wir in einer anderen", lautet einer der Kernsätze der knapp zweistündigen Aufführung, in der auch das Vorhaben von Silke Hassler und Peter Turrini voll und ganz aufgeht - dem Publikum eine unsichtbare Schlinge um den Hals zu legen, die, zusätzlich getarnt durch Galgenhumor und trügerische Komik, immer enger gezogen wird. Dass dies gelingt, ist auch dem hoch motivierten Ensemble zu verdanken. Das Grazer Schauspielhaus ist um ein weiteres Glanzstück reicher. Gespielt wird das Lied von Tod, in Wahrheit aber erklingt ein klischeefreies Hohelied auf ein gemeinsames, tolerantes Leben.