Die Mitglieder des EZB-Rats beraten seit heute in der Früh in Frankfurt. Auf dem ersten geldpolitischen Treffen
in diesem Jahr wird eine Entscheidung über ein milliardenschweres Anleihekaufprogramm erwartet. Ein Ergebnis soll es am frühen Nachmittag geben, im Anschluss wird EZB-Chef Mario Draghi in einer Pressekonferenz Details erläutern.

Immer wenn in den vergangenen Wochen über diese bevorstehenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) debattiert wurde, war die Zuschreibung „historisch“ nicht weit. Heute soll es so weit sein, bei der Ratssitzung der EZB sollen die Weichen für ein umfangreiches Programm zum Kauf von Staatsanleihen gestellt werden. Im Vorfeld wurde viel kritisiert – vor allem in Deutschland – und noch mehr spekuliert.

Worum geht’s? Die Zentralbank kauft Staatsanleihen auf dem sogenannten Sekundärmarkt, also etwa von einer Bank, die diese Anleihen hält. Der Bank steht damit frisches Geld zur Verfügung, das dann – so die Hoffnung – in Form von Krediten in die Realwirtschaft fließt. Damit sollen Investitionen angekurbelt werden.

Durch die Ausweitung der Geldmenge soll zudem künstlich Inflation erzeugt werden, zuletzt sind die Preise in der Euro-Zone ja sogar gesunken. Die bisherigen Maßnahmen, also die Senkung der Leitzinsen auf 0,05 Prozent, die Strafzinsen für Banken auf EZB-Einlagen sowie der Aufkauf diverser Kreditpakete, haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht.

Über Eckpunkte wird bis zuletzt gerungen. Es ist möglich, dass EZB-Chef Mario Draghi heute nur einen Grundsatzbeschluss verkündet und Details erst im März präsentiert. In welchen Volumen die Anleihenkäufe getätigt werden, ist ebenfalls nur Gegenstand von Spekulationen – laut „Bloomberg“ könnten es 50 Milliarden Euro pro Monat sein, befristet bis Ende 2016.

Eine weitere Frage: Übernimmt die EZB alle Risiken oder kaufen (auch) die nationalen Notenbanken Staatsanleihen auf, um Kritiker zu besänftigen? Denn dann verbleibt das Risiko bei den einzelnen Staaten.

Pro und Contra

Preisverfall stoppen, Wirtschaft beleben: Die Kernaufgabe der EZB ist die Wahrung der Preisstabilität, die laut eigener Definition bei knapp unter zwei Prozent liegt. Zuletzt sind die Preise in der Euro-Zone aber sogar gesunken, die EZB will mit dieser Maßnahme die Deflation unterbinden, also dauerhaft sinkende Preise und damit die Gefahr einer Spirale aus sinkenden Preisen und sinkender Nachfrage. Da beim Kauf von Staatsanleihen mehr Geld in Umlauf kommt, könnte der aktuelle Preisverfall bekämpft werden. Auch die US-Notenbank Federal Reserve hat nach dem Ausbruch der Finanzkrise Staatsanleihen gekauft. Die US-Wirtschaft hat sich wieder erholt. In Europa, so die Hoffnung, könnte das auch geschehen.

Reformen abwürgen, Haftungen schlucken: Kritiker sehen in der Maßnahme eine Form der Staatsfinanzierung mithilfe der Notenpresse. Auch wenn die EZB die Papiere nicht direkt von den Staaten kauft, wird ein Bruch der EU-Verträge attestiert. Kauft die EZB die Staatsanleihen im Alleingang, haften alle anderen Euro-Länder. Ein möglicher Ausweg: Nationale Notenbanken kaufen nur Anleihen des eigenen Landes, damit müsste kein Land Haftungsrisiken für andere übernehmen. Es wird befürchtet, dass betroffene Staaten weitere Reformen unterlassen und sich stattdessen auf die Zentralbank verlassen. Zudem gibt es große Zweifel, dass die Geldflut tatsächlich in der Realwirtschaft ankommt. Die schwache Kreditnachfrage und Investitionsbereitschaft hat mit mangelndem Vertrauen in die Zukunft zu tun und nicht mit fehlendem Angebot.