Die Nachricht ist erst ein paar Tage alt: In Grönland ist eine 95 Quadratkilometer große Eisscholle vom Gletscher gebrochen - das entspricht der Größe von Manhattan. Schuld daran ist die Wärme. Noch nie wurden auf Grönland so hohe Durchschnittstemperaturen gemessen wie in diesem Sommer.

Wir schaffen das nicht alleine

Im norwegischen Tromsö, dem Sitz des Arktischen Rates, graben solche Nachrichten nur noch größere Sorgenfalten in die Gesichter der Mitarbeiter. Als die acht Anrainerstaaten Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und die USA gemeinsam mit Vertretern der indigenen Völker den Rat am Montag (19. September) vor 20 Jahren im kanadischen Ottawa gründeten, waren der Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Arktis die wichtigsten Ziele. Heute muss man einsehen: Wir schaffen das nicht allein.

Liste der Erfolge liest sich nüchtern

Denn die Liste der Erfolge aus den vergangenen 20 Jahren liest sich eher nüchtern: "Der Arktische Rat hat dazu beigetragen, die Arktis als eine Zone von Frieden und Stabilität zu erhalten", heißt es auf seiner Internetseite. In Arbeitsgruppen wurden jede Menge Studien zu Arktis-Themen ausgearbeitet: Klimawandel, Schifffahrt, Tourismus, Seerettung, Ölverschmutzung, Flora und Fauna. Zu verbindlichen Vereinbarungen kam es aber nur in den Bereichen Suche und Rettung in der Arktis (2011) sowie Vorbereitung auf Fälle von Ölverschmutzung (2013).

Politikgestalter der Arktis

Diese Abkommen hätten den Rat "institutionell wie substanziell aufgewertet", sagt die Wissenschaftlerin Kathrin Keil, die die Arktis-Forschung am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam leitet. "Der Arktische Rat hat sich mittlerweile von einem Diskussionsforum zu einem Politikgestalter in der Arktis entwickelt."

Entscheidungen fallen woanders

Doch Länder unter Druck setzen kann er nicht. "Der Rat ist in erster Linie ein Organ, das Entscheidung mitgestaltet statt sie zu fällen", sagt der norwegische Forscher Svein Vigeland Rottem vom Fridjof Nansen Institut in Oslo, der die Vision und die Struktur des Arktischen Rates genauer untersucht hat. Das Gremium stelle Informationen zur Verfügung, entschieden werde woanders.

"Zahnloser Tiger"

Aus diesem Grund muss sich die Organisation mitunter gefallen lassen, ein zahnloser Tiger zu sein: Viele gute Absichten, aber keine Macht, sie umzusetzen. Problematisch sei mitunter auch, dass alle zwei Jahre ein anderes Land den Vorsitz innehabe, meint Vigeland Rottem. Jedes Land setze seine Prioritäten anders. Er empfiehlt: Der Rat solle eine umfassende Vision für die Arktis formulieren, auf die man die Arbeit fokussieren könne.

Globale Probleme - globale Lösungen

"Die Probleme der Arktis können nicht von den Anrainerländern gelöst werden." Klimawandel und Umweltverschmutzung seien globale Probleme, die globale Lösungen erforderten, sagt Vigeland Rottem. Deshalb sei es so wichtig, auch die Staaten mit Beobachterstatus einzubeziehen, zu denen neben elf anderen nicht-arktischen Ländern auch Deutschland zählt.

Begehrlichkeiten steigen

Das klimabedingte Schmelzen des Eises hat außerdem Begehrlichkeiten geweckt. Russland und andere Arktis-Anrainer wie die USA, Kanada, Norwegen und Dänemark wollen sich reiche Vorkommen an Öl und Gas sichern, die in der Region um den Nordpol vermutet werden. Moskau hat sogar mit dem Bau neuer Militärstützpunkte im Polarmeer begonnen und Luftabwehrraketen dort stationiert.