Abgas-Versuche an Menschen und Affen haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Diese seien "ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Das Institut in Aachen, wo Stickstoffdioxide an Menschen untersucht wurden, betonte aber, dies hätte keinen Bezug zum Dieselskandal gehabt, Grenzwerte für Menschen seien dabei nicht überschritten worden. Und erklärte am Montag, die Tests seien nicht unethisch gewesen.

Nachdem Ende der vergangenen Woche zunächst Berichte über Versuche an Affen in den USA mit den Abgasen eines Volkswagens für Wirbel gesorgt hatten, wurde am Sonntag bekannt, dass die von Autokonzernen gegründete Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) auch Tests mit Menschen förderte. In der Studie wurden an 25 Probanden die Auswirkungen von Stickstoffdioxid (NO2) untersucht, das unter anderem in Diesel-Abgasen vorkommt.

VW-Chef Müller: "Inakzeptabel"

Nach der massiven Kritik distanzieren sich nun auch die Autokonzerne von den Tests: BMW erklärte am Montag, der bayerische Autobauer habe an den genannten Studien "nicht mitgewirkt" und umgehend mit einer internen Untersuchung begonnen, um die Arbeit der EUGT aufzuklären. Volkswagen bekräftigte, der Konzern sei sich seiner "sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst". Konzernchef Matthias Müller bezeichnete die Versuche als inakzeptabel. "Die damals von der EUGT in den USA praktizierten Methoden waren falsch, sie waren unethisch und abstoßend. Mit Interessensvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts, gar nichts zu tun." Daimler teilte mit, der Konzern sei "entsetzt" und verurteile die Tests aufs Schärfste.

VW-Chef Müller weiter: "Mir tut es leid, dass Volkswagen als einer der Träger der EUGT an diesen Vorgängen beteiligt war. Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht." Es müssten nun "alle nötigen Konsequenzen" gezogen werden.

Die EUGT wurde 2007 als unabhängiges Forschungsinstitut von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch gegründet und wurde Mitte 2017 aufgelöst.

Die deutsche Regierung forderte eine rasche und umfassende Aufklärung. "Die Empörung vieler Menschen ist absolut verständlich", sagte Regierungssprecher Seibert. Dem stimme auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "hundertprozentig" zu.

Renommee beschädigt

Die Autokonzerne hätten "Grenzwerte einzuhalten und nicht mit Hilfe von Affen oder Menschen die vermeintliche Unschädlichkeit von Abgasen zu beweisen", sagte der Regierungssprecher. Es sei "ganz klar, dass solche Berichte über Abgastests an Affen und sogar Menschen das Renommee der Beteiligten erheblich schädigen". Deshalb müssten nun viele kritische Fragen "dringend beantwortet" werden.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) reagierte "entsetzt". Was bisher bekannt sei, sei "abscheulich", erklärte sie. Die Hintergründe zu diesem Skandal gehörten jetzt schnell auf den Tisch. Neben der Autoindustrie müsse auch die Wissenschaft ihre Verantwortung dafür aufklären.

Gesundheitsschädlichkeit belegt

Stickoxide seien gesundheitsschädlich für den Menschen, erklärte Hendricks. Dies sei hinreichend belegt. "Dass eine ganze Branche anscheinend versucht hat, sich mit dreisten und unseriösen Methoden wissenschaftlicher Fakten zu entledigen, macht das Ganze noch ungeheuerlicher."

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der auch im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt, nannte die Tests "absurd" und "widerlich". Es gebe "keine akzeptable Begründung", derartige Versuche zu Marketing-Zwecken abzuhalten.

Die Unikinik der RWTH Aachen erklärte, die Stickoxid-Belastungen, denen die Versuchspersonen ausgesetzt gewesen seien, hätten "deutlich unter den Konzentrationen, wie sie an vielen Arbeitsplätzen in Deutschland auftreten" gelegen. Die Studie sei außerdem bereits lange vor dem Dieselskandal in Auftrag gegeben worden - Hintergrund sei die Absenkung der zulässigen Höchstkonzentration von NO2 am Arbeitsplatz gewesen. Es hätten Erkenntnisse zur Wirkung von Stickoxid auf Menschen gefehlt, weshalb das Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Uniklinik 2012 einen Forschungsauftrag der EUGT angenommen habe. Die Ethikkommission der Uniklinik habe den Auftrag damals geprüft und genehmigt.