In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Rat bei den Verhandlungen über die Überarbeitung der Entsenderichtlinie eine vorläufige Einigung erreicht. ArbeitnehmerInnen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland eine Dienstleistung erbringen, sollen in Zukunft nicht nur vom Mindestlohn, sondern auch von ortsüblichen Tarifverträgen profitieren und rechtssicheren Anspruch auf Zulagen für Reise, Unterkunft und Verpflegung erhalten.

EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen erwartet nach der vorläufigen Einigung auf die Entsenderichtlinie zwischen Vertretern der drei Institutionen auch die bei der Endabstimmung notwendige qualifizierte Mehrheit im Rat. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz bejubelten die vier Vertreterinnen aus Rat, Kommission und EU-Parlament die Einigung und sprachen von "girls power".

Seitens der bulgarischen Ratspräsident erklärte die stellvertretende Sozialministerin Zornitsa Roussinova, es sei ein "Erfolg für die Arbeitnehmer erreicht worden, die am selben Platz beim selben Job auch die gleichen Rechte und die gleiche Bezahlung" bei einer Entsendung wie die einheimischen Beschäftigten haben werden. Damit sei "einer der wichtigsten Werte" der EU, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, hoch gehalten worden. Aber "das ist nur der erste Schritt".

Ausbalancierter Kompromiss

Thyssen betonte, mit der vorläufigen Einigung, die noch vom Plenum des EU-Parlaments und dem Rat abgesegnet werden müsse, sei eine neue Phase für faire Regeln im Binnenmarkt geschaffen worden. Es handle sich um einen ausbalancierten Kompromiss, und damit werde auch gegen Missbrauch vorgegangen.

Seitens des EU-Parlaments unterstrichen Elisabeth Morin-Chartier und Agnes Jongerius die Bedeutung der verschärften Entsenderichtlinie. "Aber sprechen wir noch nicht von einem Sieg. Es liegen noch einige Schritte vor uns", so Morin-Chartier. Jedenfalls handle es sich um eine "win-win-Vereinbarung. Es gibt keine großen Sieger, es gibt keine großen Verlierer". Es sei ein extrem großer Fortschritt erzielt worden, "aber es ist noch nicht das Ende der Fahnenstange" erreicht.

Erfreut über die vorläufige Einigung der drei EU-Institutionen zur Entsenderichtlinie zeigte sich am Donnerstag die SPÖ-Delegationsleitern im Europaparlament, Evelyn Regner. Damit sei "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort möglich". Der ÖVP-Europamandatar Heinz Becker sprach von einer "guten Nachricht".

Monika Vana, Vizepräsidentin der Grünen/EFA-Fraktion und Mitglied im Sozialausschuss des Europäischen Parlaments, kommentiert: "Die vorläufige Einigung ist ein Schritt in Richtung eines sozialeren Europas. Die überarbeitete Entsenderichtlinie schützt entsandte Arbeitskräfte besser vor Ausbeutung. Entsandte Arbeitskräfte werden lokalen ArbeitnehmerInnen gleichgestellt."

Ab 2012

Thyssen verteidigte die Regelung, dass ein Übergang eines Langzeit-Entsendeten vom Sozialsystem des Herkunftslandes in das Entsendeland erst nach zwei Jahren greifen könne. Es wäre ein Verwaltungspuzzle, würde beispielsweise jemand, der für vier Monate entsandt ist, ein neues Sozialsystem brauchen, dann werde er für weitere vier Monate in ein anderes Land entsandt und dort beginne das von neuem. Eine Entsendung könne sehr rasch erfolgen, aber der Übergang in ein neues Sozialversicherungssystem brauche Zeit.

Konkret bedeutet die vorläufige Einigung, dass die Chancen gut stehen, noch unter bulgarischer Ratspräsident bis Juni des Jahres das Thema endgültig abschließen zu können. Sonst hätte Österreich die Causa auf die Agenda bekommen. Trotzdem wird ein Inkrafttreten dauern. Selbst wenn die EU-Sozialminister am 15. März eine Einigung erzielen und das EU-Parlament in der ersten Aprilwoche abstimmen könnte, dürfte ein Inkrafttreten angesichts der Übertragungen durch die Staaten in nationales Recht erst im Sommer 2021 greifen.

Eine Verschärfung der EU-Entsenderichtlinie war zwischen den west- und den mittel-osteuropäischen EU-Mitgliedsländern umstritten. Während Länder wie Deutschland, Frankreich oder Österreich damit Lohn- und Sozialdumping bekämpfen wollen, hatten sich osteuropäische Staaten dagegen gewandt, weil sie durch eine Verschärfung der Regeln einen Wettbewerbsvorteil verlieren würden, nämlich ihre geringeren Arbeitskosten.