In der Schweiz wurde Basel acht Mal in Folge Meister. Kommt es in dieser Saison – dank Adi Hütter und Young Boys Bern – zur Wachablöse?

ADI HÜTTER: Wir sind Tabellenführer, haben aber erst elf von 36 Runden gespielt. Aber es stimmt: Der Traditionsverein Young Boys wartet seit über 30 Jahren auf einen Titel. Der Hauptstadtklub ist sehr gut geführt und beliebt, hat sehr gute und emotionale Fans. Alle lechzen nach einem Titel.

Ein Bericht aus 2015 lieferte folgende Budgetzahlen: Basel 105 Millionen Franken (90 Mio. Euro), Young Boys 35 (30 Mio. Euro). Stimmen diese Zahlen noch?

Ich denke, dass die Budgets mittlerweile etwas angestiegen sind. Aber die Relation wird nach wie vor die selbe sein.

Die Mutter aller Fragen vorweg: Worin liegt der Unterschied zwischen dem Fußball in Österreich und der Schweiz?

Groß ist er nicht. In beiden Ländern wird eine Zehner-Liga gespielt. Die Schweiz hat momentan vielleicht um die Spur die Nase vorn. In Österreich bekommen aufgrund der wirtschaftlichen Situation vielleicht junge Spieler aus den Akademien mehr Möglichkeiten. In der Schweiz setzen die Vereine durchaus eher auf routiniertere Spieler.

Der Erfolg ist auf allen Ebenen sichtbar. Arbeiten wir ihn Schritt für Schritt ab. Punkt a) die Mannschaft?

Entgegen dem Liga-Trend haben wir die Mannschaft seit meinem Antritt im September 2015 unglaublich verjüngt, eine gute Altersstruktur geschaffen. Ich bin seit mittlerweile exakt 100 Pflichtspielen im Amt, habe – inklusive der Europacupspiele – einen Schnitt von 1,86 Punkten pro Spiel. Diese Statistik macht mich schon stolz.

Was macht Adi Hütter richtig?

Entscheidend ist: Hast du einen Plan bei Ballbesitz? Bist du handlungsschnell? Im internationalen Fußball bleibt nur sehr wenig Zeit. Dementsprechend trainieren wir. Wir spielen schnell und dynamisch nach vorne.

Punkt b) Mit dem sportlichen Erfolg geht der wirtschaftliche einher?

Unser Zuschauerschnitt ist seit 2015 von knapp 17.000 auf rund 20.000 gestiegen. Im Sommer haben wir Denis Zakaria zu Mönchengladbach transferiert – der teuerste Verkauf der Vereinsgeschichte (um 12 Mio. Anm. d. Red.). Im Sommer erwirtschafteten wir einen schönenTransferüberschuss. Das ist unsere Philosophie (und auch Teil unseres Budgets): Junge Spieler holen, entwickeln und gewinnbringend weiterverkaufen. Mittlerweile wollen junge Spieler gerne zu uns kommen.

Punkt c) erscheint mir einer der wichtigsten zu sein – die Menschenführung, die Kommunikation. Hier scheint im Fußball noch ein sehr großes Feld brach zu liegen?

Vollkommen richtig. Ich vergleiche es hier mit dem Schweizer Kreuz in der Nationalflagge. Der Trainer steht im Zentrum, kommuniziert nach oben zum Vorstand, nach links und rechts zu Sponsoren, Fans und Medien, nach unten zur Mannschaft. Als Trainer bist du eine Führungsperson, brauchst soziale Kompetenz. Ein Bereich, der mich sehr interessiert. Du musst hart und gerecht sein.

Gibt es Spieler aus der österreichischen Liga, die für Young Boys bzw. die Schweiz interessant wären?

Mit Moumi Ngamaleu haben wir im Sommer einen solchen aus Altach geholt. Er spricht französisch, wie viele hier. Er ist 23 und der Ersatz für Ravet, der nach Freiburg in die deutsche Bundesliga gewechselt ist.

Schon in der Vorsaison haben Sie dem FC Basel dessen einzigen zwei Saisonniederlagen zugefügt. Dennoch wurde Basel Meister und nicht YB. Was läuft heuer anders?

Wir ließen zu viele Punkte liegen. Vor allem in einer Phase, als uns Torjäger Guillaume Hoarau nicht zur Verfügung stand. Heuer sind wir mit Pierre Nsame und Roger Assale breiter aufgestellt. Hoarau ist zwar wieder verletzt, dennoch holten wir ohne ihn in vier Spielen zwölf Punkte.

Wie wird das Aus von Marcel Koller in der Schweiz wahrgenommen?

Logisch wird es in den Schweizer Boulevard-Medien zum Thema gemacht. Was aber auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird: Koller hat in Österreich sehr viel bewegt.

Sie sollen auf der Teamchef-Liste von Peter Schöttel ziemlich weit oben stehen. Hat Sie der ÖFB kontaktiert?

Natürlich interessiert mich das Thema. Ich möchte es aber nicht kommentieren. Wer welche Kandidaten veröffentlicht und ins Spiel bringt, habe ich nicht verfolgt. Wir haben mit Young Boys in den nächsten drei Wochen sehr wichtige Spiele vor uns.

Welche Spiele stehen auf dem Programm?

Unter anderem die Europa-League-Spiele gegen Dynamo Kiew, das Derby im Cup-Achtelfinale gegen Münsingen und im November die Meisterschaftsspiele gegen Basel und unseren Verfolger FC Zürich.

Was macht Adi Hütter in der Schweiz, wenn er nicht als YB-Trainer arbeitet?

Viel Zeit bleibt eh nicht. Ich schaue viel Fußball, vor allem den französischen und italienischen. Mir gefällt zum Beispiel irrsinnig die Spielweise von Napoli.

Stehen solche Top-Ligen auf Ihrem Karriereplan?

Mein Vertrag läuft im Sommer 2018 aus. Wir sind in Gesprächen. Ich denke derzeit aber nicht weiter voraus. Grundsätzlich möchte ich schon wissen, wie weit es als Trainer gehen kann. Die Prüfungen dafür habe ich aber eh jeden dritten, vierten Tag am Platz.