Sie werden ihn begraben. Lebendig, unter dem Elfmeterpunkt. In der Kiste wird sich ein Mauerstück vom alten "Block West" befinden, dazu die Schuhe von Kapitän Steffen Hofmann, ein Meter Tornetz, alte Eintrittskarten, eine CD mit Fan-Gesängen und das letzte Meistertrikot Rapids aus der Saison 2007/08. Wenn das Allianz-Stadion in Hütteldorf im Sommer 2016 fertig ist, soll er, der Rapid-Geist, den Gegnern also aus der Tiefe Furcht einflößen. Bis dahin schwebt er noch durch den Wiener Luftraum, heute soll er über der ausverkauften Happel-Arena beschworen werden.

Angeblich soll der Rapid-Geist in einem Interview mit der Spatzenpost gesagt haben, dass es sein Lebenstraum sei, noch einmal mit seinem grün-weißen Lieblingspullover in der Champions League einzulaufen. Diesem Ziel ordnete er in den vergangenen Wochen alles unter. Er schob  Extraschichten beim Training für die Rapid-Viertelstunde, die er auf 90 Minuten ausweitete; ja, sogar den Münzwurf ließ er üben, bis er 63 Mal in Folge Anstoß gehabt hätte. Der Lohn für diesen Eifer: Ein Traumstart in die Meisterschaft. Ungeschlagener Tabellenführer. 5:2-Derby-Sieger bei der Austria. Und die beiden kämpferischen Gala-Vorstellungen gegen Ajax Amsterdam, die das heutige Kräftemessen im Play-off für die Champions League mit Schachtar Donezk erst möglich gemacht haben.

"Individuell extrem gut"

Immer, wenn Rapid Spaß an der Freud hat, können große Dinge gelingen. Etwa 1996, als der Zusammenhalt der Mannschaft ins Finale des Cupsiegerbewerbes führte und die Zeitungen titelten: "Rapid, wie es siegt und lacht". Als führende Schmähbrüder waren die jetzigen Trainer Peter Stöger, Didi Kühbauer und Zoran Barisic am Werk. Auch Carsten Jancker, der mit dem Turban, war mit von der Partie. "Das waren andere Zeiten", sagt Barisic, der lieber nach vorne blickt.

Dort sieht der Mann im Trainingsanzug einen ukrainischen Giganten, der nur auf den ersten Blick wie Grödig ausschaut. Bei Schachtar, dem UEFA-Cup-Sieger 2009, arbeiten neun Brasilianer. Der Kader ist laut transfermarkt.at 141 Millionen Euro wert. Zum Vergleich: Rapid wird mit 20 Millionen gehandelt. Der Klub, der vom Rumänen Lucescu, 70, betreut wird, erreichte in den vergangenen elf Jahren neun Mal die Champions League. Rapid 1996/97 und 2005/06.

Barisic weiß, dass "Schachtar voll in der Meisterschaft steht" und dass "sie individuell extrem gut sind". Ende der Aussichtslosigkeit, denn: Die zwei besten Brasilianer wurden im Winter verkauft. Douglas Costa ging um 30 Millionen zum FC Bayern und Luiz Adriano, der zuletzt neun Tore in sieben Champions-League-Matches geschossen hatte, wechselte zum AC Milan. "Wir sind krasser Außenseiter und haben alles zu gewinnen, weil Donezk in die Champions League kommen muss", sagt Barisic.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil sind die Fans, aus denen der Rapid-Geist seine Energie tankt. Das Happel-Stadion wird voll sein, während das Rückspiel aufgrund der kriegerischen Unruhen in der Ukraine in Lwiw stattfinden muss, nur eine Flugstunde von Wien entfernt.

"Jeder wird sich zerreißen"

Steigt Rapid auf und erreicht also die Gruppenphase der Königsklasse, sind 14 Millionen Euro garantiert. "Wir wollen das unbedingt schaffen und werden alles dafür geben. Voraussetzung ist, dass wir mit einem guten Resultat ins Rückspiel gehen. Jeder meiner Spieler wird sich zerreißen", sagt Barisic.

Geht’s schief, dürfen sich die Zerrissenen trösten. Der Startplatz in der Gruppenphase der Europa League ist nach dem Triumph über Ajax Amsterdam längst Gewissheit.

HARALD SCHUME