Zwei Dutzend Betroffene sollen sich vor dem Gebäude des Senders teils mit Tränen in den Augen in die Arme gefallen sein. Viele Mitarbeiter wie Redakteure, Moderatoren und Nachrichtensprecher stünden nun vor dem Nichts, einige hätten für ihren Job bei Servus TV ihre Zelte im In- und Ausland - vor allem Deutschland - abgebrochen und seien mit ihren Familien nach Salzburg gezogen, wurde erzählt. Auch zugebuchte Produktionsfirmen und Leiharbeiter stünden nun mit leeren Händen da.

Erst vor rund zwei Wochen sei Mateschitz selbst in den Sender gekommen. Er habe mit den Mitarbeitern geredet und gemeint, alles laufe hervorragend. Nun machte auch hartnäckig das Gerücht die Runde, dass Mateschitz wegen eines Rund-Mails, das von einer externen Mail-Adresse gekommen sei, empört gewesen sei. Darin sei vorgeschlagen worden, online über die Gründung eines Betriebsrates abzustimmen - was neue, bessere Verträge zur Folge gehabt und den Konzern mehr Geld gekostet hätte.

Deshalb solle es dem Red Bull-Boss gereicht haben, berichteten Mitarbeiter. Doch es habe keine Zustimmung im Haus für die Gründung eines Betriebsrates gegeben. "Keiner hat auf das Abstimmungs-Mail positiv reagiert. Es war nie die Rede von einer Betriebsratsgründung", sagten Mitarbeiter zur APA. Einige Betroffene würden nun die Hoffnung hegen, anderweitig im Red Bull Media House unterzukommen.

In der Begründung für den drastischen Schritt hieß es am Dienstag: Obwohl man seit dem Start 2009 Jahr für Jahr einen nahezu dreistelligen Millionenbetrag in Servus TV investiert habe, "lässt sieben Jahre nach Einführung die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation keine wirklich positive Entwicklung erwarten. (...) Wir haben uns der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechend entschlossen, den Betrieb von Servus TV einzustellen." Die "Veränderungen am globalen Medienmarkt bestärken uns in dieser Entscheidung, weil digitale Angebote die klassischen, linearen Programme verdrängen". Das Magazin "Servus in Stadt und Land" sei von dieser Maßnahme nicht betroffen.

Den "genauen Zeitplan" für die Einstellung des ServusTV-Betriebs "werden wir professionell und gemeinsam mit unseren Mitarbeitern und Partnern erarbeiten", hieß es ergänzend aus der Pressestelle des Senders. APA-Informationen zufolge steht eine Einstellung des Sendebetriebs Ende Juni im Raum.

"Wir können den 30. Juni nicht bestätigen", hieß es dazu allerdings im Unternehmen. Kein Indiz für den Zeitpunkt des Sendestopps, aber möglicherweise dafür, dass die Entscheidung schnell fiel, ist der Umstand, dass der Sender auf seiner Homepage das "Werbeinselschema ab Juni 2016" zum Download zur Verfügung stellt.

Die "Salzburger Nachrichten" berichteten online, dass alle 246 Mitarbeiter bereits gekündigt worden seien und es auch eine entsprechende AMS-Meldung gäbe. Das kommentierte Servus TV nur indirekt: "Die AMS Meldung muss formal mit einem Datum versehen sein", hieß es. Bestätigt wurde ein Mitarbeiterstand von "über 240".

Medienbranche und -politik reagierten gleichermaßen bestürzt. RTR-Medienchef Alfred Grinschgl sprach von einem Verlust, der Verband Österreicher Privatsender sah ein "Alarmsignal" für die Medienpolitik. Die Mediensprecher von SPÖ und ÖVP äußerten Bedauern, die Opposition forderte Reformen.

"Wirklich bedauerlich" findet SPÖ-Mediensprecher Josef Cap die angekündigte Einstellung. Die Fernsehmacher hätten sich "wirklich bemüht" und einen "gut gemachten Kanal" produziert, sagte er im APA-Gespräch. Nun würden "hoch qualifizierte Mitarbeiter" ihren Job verlieren und "natürlich die Breite des Angebots eingeschränkt".

ÖVP-Mediensprecher Peter McDonald bezeichnete das Aus für Servus TV als "sehr schade für die österreichische Medienlandschaft", hieß es in einem Statement. "Österreich verliert damit einen Sender, der durch qualitätsvoll aufbereitete Inhalte, aber auch Nischenprogramme eine große Bereicherung dargestellt hat."

Die FPÖ forderte in ihrer Reaktion eine Reform der TV-Finanzierung, denn Servus TV "entspricht in seiner Programmgestaltung und seinen Inhalten in weiten Teilen deutlich mehr dem Anspruch an einen öffentlich-rechtlichen Sender als der von Zwangsgebühren genährte ORF", wie Mediensprecher Herbert Kickl in einer Aussendung schrieb.

Auch NEOS-Mediensprecher Niko Alm findet, die Servus-Einstellung sei Anlass, über die Gebühren nachzudenken. Er sei "natürlich nicht erfreut, wenn ein privater Anbieter von öffentlich-rechtlichen Inhalten, ein Medium weniger im Markt angiert", meinte er auf APA-Anfrage. "Das zeigt einmal mehr, dass man darüber nachdenken muss, ob man nicht die Förderung öffentlich-rechtlicher journalistischer Inhaltsproduktion anders aufstellt als auf einen Öffentlich-Rechtlichen zu konzentrieren." Das Team Stronach forderte in Person von Mediensprecher Christoph Hagen ebenfalls ein "Umdenken" bei der ORF-Finanzierung.

Ferdinand Wegscheider, seit nicht einmal einem Monat Intendant von ServusTV, war vorerst nicht zu erreichen. Erst im April war es zu einer Rochade an der Senderspitze gekommen. Geschäftsführer Martin Blank ging nach rund sechs Jahren, der frühere Burgtheater-Direktor und interimistische Servus-Programmdirektor Matthias Hartmann gab die Programmagenden ab. Harald Maier übernahm die Kaufmännische Leitung.

ServusTV hatte im April 1,5 Prozent Marktanteil. Nur selten übersprang der Sender seit seinem Start im Herbst 2009 die Zwei-Prozent-Marke. Erstmals gelang das im Oktober 2012, in diesem Monat übertrug man Felix Baumgartners Stratosphären-Sprung. Im Jahresschnitt 2015 waren 1,7 Prozent ausgewiesen worden, die beiden Jahre davor 1,5 Prozent.