Erstmals seit dem Beginn des von den USA angeführten Lufteinsatzes gegen den IS haben die USA Kampfflugzeuge auf den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik entsandt. Sechs F-16-Kampfjets seien auf dem Stützpunkt stationiert worden, teilte die US-Vertretung bei der NATO mit. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte unterdessen die USA vor Luftschlägen in Syrien.

Stationierung bestätigt

Von türkischer Seite wurde die Stationierung bestätigt. Die Kampfjets seien von Aviano in Italien in die Türkei verlegt worden, hieß es. Die türkische Nachrichtenagentur Dogan meldete zudem, auch 300 US-Soldaten seien auf den Stützpunkt Incirlik verlegt worden.

Ein Jahr nach Beginn der internationalen Luftschläge sieht die US-Militärführung die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) deutlich geschwächt. Wie das Verteidigungsministerium am Samstag in Washington mitteilte, kontrollierten Anti-IS-Kräfte zwei Drittel der nördlichen syrischen Grenze.

Im Irak könnten die Jihadisten in etwa 25 bis 30 Prozent der einst von ihnen beherrschten, bewohnten Gebiete nicht mehr ungehindert agieren.  Am 8. August 2014 hatte die US-geführte Anti-Terrorkoalition aus mehr als 60 Ländern mit den Luftangriffen begonnen. Das internationale Bündnis hat nach Angaben aus Washington seither fast 6000 Einsätze gegen die IS-Jihadisten geflogen. Entgegen der offiziellen Stellungnahme hatten US-Geheimdienste den IS kürzlich allerdings noch als kaum geschwächt eingeschätzt.

In der nordsyrischen Grenzregion zur Türkei sind es vor allem die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), die sich dem IS am Boden entgegenstellen. Sie sind ein Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die derzeit von der türkischen Luftwaffe bombardiert wird.

"Außerordentliche Leistungen"

Das US-Verteidigungsministerium hob hervor, dass die syrischen Kurden eine "außerordentliche" Leistung erbracht und grenzübergreifende Kommunikationswege der Jihadisten zwischen Syrien und dem Irak sowie Syrien und der Türkei blockiert hätten.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte mit Blick auf die jüngsten türkisch-kurdischen Auseinandersetzungen der "Rheinischen Post" (Samstag): "Es wäre fatal für die Türkei und für die Region, wenn über die regionalen Konflikte des Mittleren Ostens der innerstaatliche Friedensprozess mit den Kurden jetzt gegen die Wand gefahren würde." 

Steinmeier fügte hinzu: "Nur auf dem Verhandlungsweg kann ein Rückfall in die gewaltsamen Auseinandersetzungen der 90er-Jahre verhindert werden, der in der jetzigen Krisenlage unabsehbare Folgen für die ganze Region hätte."

Auch der Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, forderte die Regierung in Ankara und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu einem sofortigen Ende der Gewalt auf. Bei der Wahl im Juni war es der HDP gelungen, mit 13,1 Prozent ins türkische Parlament einzuziehen.

Nach Angaben des Weißen Hauses wurden die Jihadisten im vergangenen Jahr in Nordsyrien aus einem 17.000 Quadratkilometer großen Territorium zurückgedrängt. Von der Grenze zwischen Syrien und der Türkei habe der IS noch knapp 110 Kilometer unter seiner Kontrolle - zu Hochzeiten, also vor der Vertreibung aus Kobane im Jänner, waren es fast 300 Kilometer.

Unverminderte Brutalität

Die Terrororganisation beherrscht aber noch immer riesige Gebiete in Syrien und im Irak. Der syrische Bürgerkrieg - durch den die Jihadisten erst stark geworden sind und der nach UNO-Schätzungen in vier Jahren mehr als 250.000 Menschen das Leben gekostet hat - dauert mit unverminderter Brutalität an. Die irakische Regierung in Bagdad steht neben dem Kampf gegen die Extremisten auch vor sozialen Herausforderungen: Aus Protest gegen Stromengpässe und Korruption gehen in dem ölreichen Land immer wieder Tausende auf die Straßen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte unterdessen die USA mit Nachdruck vor Luftschlägen in Syrien. Ohne Bodentruppen könnten sich die Angreifer im Ziel irren und statt "Regierungsobjekten" versehentlich Hochzeitsfeiern und Schulbusse bombardieren, sagte er in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview des russischen Fernsehens. In Afghanistan sei dies den USA wiederholt passiert.

Lawrow sprach sich erneut für Syrien-Verhandlungen aus. Wenn es um Chemiewaffen gehe, sei Machthaber Bashar al-Assad für den Westen ein legitimer Teilnehmer, aber beim Kampf gegen Terror plötzlich nicht mehr, kritisierte er. Moskau ist ein Partner des Regimes in Damaskus.

Russlands Chefdiplomat warb für einen Plan von Präsident Wladimir Putin. Demnach strebt Moskau eine "Koalition der Gleichgesinnten" unter Teilnahme der syrischen und der irakischen Armee sowie von Anrainerländern und Kurden gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an - mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats. Er habe nach einem Gespräch mit seinem US-Amtskollegen John Kerry aber den Eindruck, als unterstütze Washington diesen Plan nicht, sagte Lawrow.