Wenn Erwin Sabathi abends vom Traktor steigt, senkt sich schon die Dunkelheit über die Weingärten am südsteirischen Pössnitzberg. Nicht alle Hänge, an denen hier Wein gedeiht, können mühelos befahren werden – bis zu 75 Prozent Steigung gilt es in Kauf zu nehmen, etwa so viel wie an der steilsten Stelle der Streif in Kitzbühel. Und hier, unter schwierigsten Bedingungen, wo auf heiße Tage empfindlich kühle Nächte folgen und es häufig regnet, gedeihen die besten Chardonnays Österreichs – Ausnahmeweine, mit denen der Spitzenwinzer momentan eine Auszeichnung nach der anderen einheimst.

Auf den ersten Schluck ist es ein ungewöhnliches Erlebnis, denn ein Morillon, wie der Chardonnay seit den 90er-Jahren in der Steiermark genannt wird, ist meist mächtig fruchtig und die Lagerung im Holzfass mehr als nachvollziehbar. Die „Neuen“ sind wie eine Meeresbrise – fast als melde sich das Urmeer wieder zurück, das vor Millionen von Jahren gegen die Weinberge der Südsteiermark schwappte.

Die Weine sind elegant, wunderbar salzig, säurebetonter und so anders, dass Sabathi ihnen wieder den Namen Chardonnay verleiht. „Ein Wein ohne gesunde Säure ist ohnehin wie ein Mensch ohne Wirbelsäule“, hakt er nach. „Er wird sich nicht lange aufrecht halten.“ Dieser Wein hat beim Verteilen des Rückgrats jedenfalls zweimal aufgezeigt.


Wie aber bringt man es zu so einem Prachtkerl? Wieso krempelt man einen Kassenschlager um und entwickelt einen völlig neuen Charakter – mit dem Risiko, ihn selber trinken zu müssen? „Privat bin ich ein Burgunderliebhaber. Irgendwann haben mir die Morillons nicht mehr geschmeckt“, erinnert sich Sabathi. „Ich fand sie zu üppig.“

Stattdessen fand er Weine ganz nach seinem Geschmack in der Burgund. Der französischen Weinregion entstammen weltweit gerühmte Chardonnays, kernige Kerle mit salziger Note. Was die Burgund der Südsteiermark ähnlich macht, sind das Klima und die Böden mit ihrer eigenen Krümelstruktur. In der Südsteiermark herrschen allerdings verschärfte Bedingungen – es regnet etwa zweimal so oft.

"Im Weinberg entscheidet sich die Qualität", sagt Erwin Sabathi © (c) KANIZAJ MARIJA-M. | 2015

Für seine Idee warf Sabathi „alles, was ich gewusst habe über Bord“ und fing „von vorne an“. Wie ein Besessener arbeitete er daran, der in der Steiermark stiefmütterlich behandelten Rebsorte einen neuen Weinstil zu verpassen. Ohne ihn zu kopieren. Das Beste aus den heimischen Böden herauszuholen, den genetischen Code der Region in Flaschen zu füllen, unverwechselbare, aber ebenso große Weine zu schaffen wie in Frankreich. „Dass die Sorte auf unseren Böden ähnlich großes Potenzial hat wie der Sauvignon blanc, stand für mich fest“, erklärt er. 2011 hatte er „schon eine gute Idee im Wein“. Nur vier Jahre später spielt er mit seinem „Chardonnay neu“ in der Oberliga.

Wie der Jahrgang 2015 wird? Das entscheidet derzeit die Natur im Weingarten, denn „Wein wird nicht im Keller gemacht“, betont Sabathi. „Dort lässt man ihn nur noch groß werden.“