Als Kind war die Weinlese für Katharina Tinnacher ein Heidenspaß. Sie jagte die Weinberge hinauf, immer den Helfern hinterher, auf der Suche nach vergessenen Trauben. Für jede gefundene gab es zur Belohnung einen Kaugummi. Heute ist die 29-Jährige die Leiterin des rund 27 Hektar großen Betriebs und beschäftigt zehn Mitarbeiter – zur Weinlese rund 50. Manche kennt sie schon seit Kindertagen.

Wollten Sie schon als Kind Winzerin werden?
KATHARINA TINNACHER: Nein, ich wollte Kunstgeschichte studieren. Irgendwann habe ich mir aus einer Laune heraus das Weinbaustudium an der Universität für Bodenkultur  angeschaut. Ab dem Zeitpunkt hat mich das Thema Wein nicht mehr losgelassen.

Den Grundstock für den Erfolg hat die Elterngeneration gelegt – was machen Sie jetzt daraus?
TINNACHER: Ich will Weine mit Dichte, Komplexität und Tiefe schaffen – bei rund 1000 Millimeter Niederschlag eine echte Herausforderung und nur möglich, indem wir den Ertrag reduzieren. 9000 Kilo Trauben pro Hektar sind in Österreich erlaubt. In den Toplagen ernten wir aber nur
etwa 3500 bis 4000 Kilo. Wir sprechen hier also von  maximal einer Flasche Lagenwein pro Rebstock. Ich kaufe keine Trauben zu, weil die Qualität im Weingarten gemacht wird und die möchte ich selbst bestimmen. Bei uns ist alles Handarbeit.

Im Weingarten zu Hause: Katharina Tinnacher bewohnt ein Winzerhäuschen inmitten einer ihrer Toplagen
Im Weingarten zu Hause: Katharina Tinnacher bewohnt ein Winzerhäuschen inmitten einer ihrer Toplagen © (c) KANIZAJ MARIJA-M. | 2015

Ein Lagenwein ...?
TINNACHER: Ist nichts anderes als ein Wein mit Herkunft, auf dem der Name des Weingartens steht. Das ist die größte Auszeichnung, die ich einem Wein geben kann. Er ist die Essenz dessen, was unsere 15 Millionen Jahre alten Böden hergeben, das Mikroklima, die Sonneneinstrahlung, die Seehöhe, all das macht diesen Wein aus. Es geht darum, das Optimum aus ihm herauszuholen, die perfekte
Laubarbeit zu leisten, von Hand zu lesen. Es muss der richtige Rebstock auf dem richtigen Boden im richtigen Alter stehen, dann sind die Voraussetzungen für einen großen Wein geschaffen, der es verdient, einen Namen zu
tragen.

Warum passiert die Lese bei Ihnen noch von Hand?
TINNACHER: Wir wollen selbst entscheiden, welche Traube geerntet wird. Im Regenjahr 2014 etwa war es sehr schwer – wir haben jede einzelne aufgeplatzte Beere mit der Hand rausgezupft. Das sind Kosten, die sich nur über die Jahre regulieren lassen, weil es auch wieder gute Jahrgänge gibt.

Warum ist Ihnen Herkunft so wichtig?
TINNACHER: Wir können die Eigenständigkeit im Wein nur erreichen, indem wir die Herkunft der Region  widerspiegeln. Ein Lagenwein spiegelt sogar nur einen
einzelnen Weingarten wider. Das hebt uns von anderen ab.

Die Weingärten im Hause Lackner-Tinnacher werden biologisch bewirtschaftet
Die Weingärten im Hause Lackner-Tinnacher werden biologisch bewirtschaftet © (c) KANIZAJ MARIJA-M. | 2015


Warum bewirtschaften Sie Ihre Weingärten biologisch? Das bedeutet eine Menge Mehrkosten, Arbeit und Risiko. Es geht doch auch einfacher?
TINNACHER: Sicher, aber unsere Böden sind das  wichtigste Gut – wir versuchen, sie für die nächste  Generation gesund zu erhalten. Wir sehen dieWeingärten nie isoliert, sondern die Kulturlandschaft, die Region in ihrer Gesamtheit.

Ihre Rebstöcke sind teilweise mehr als 50 Jahre alt. Wann haben sie ausgedient?
TINNACHER: Je älter der Rebstock, desto gleichmäßiger
das Wachstum, desto kleiner die Trauben. Sie werden würziger und aromatischer. Für mich hat ein Rebstock erst ausgedient, wenn er nichts mehr trägt.