Neuer Zündstoff für eine ewige Diskussion: In den USA wird momentan geprüft, ob möglicherweise mehrere Kinder an bestimmten homöopathischen Präparaten gestorben sind. Das Mittel enthielt zu viel Tollkirsche (Belladonna). In Österreich gaben die Behörden zu dem Thema Entwarnung, aber die alte Diskussion kocht wieder hoch: Ist Homöopathie eine legitime Heilmethode oder nur kostspieliger Humbug?

Wir haben Kritikern und Befürwortern fünf Fragen gestellt: Erfried Pichler und Friedrich Dellmour vertreten die österreichische Gesellschaft für homöopathische Medizin, ihnen gegenüber steht Ulrich Berger von der Gesellschaft für kritisches Denken, die die Homöopathie auch öffentlich stark kritisiert. Hier sind Ihre Antworten.

Frage 1: Jeder zweite Österreicher verwendet laut einer Umfrage Homöopathie - warum sind Globuli so beliebt?

Pichler & Dellmour: "Die Homöopathie ist sehr wirksam: 80% der österreichischen Bevölkerung bezeichnen homöopathische Mittel als wirkungsvoll, weil sie damit bereits eine Linderung oder Heilung ihrer Krankheitsbeschwerden erlebt haben." 

Berger: "Es sind ziemlich sicher deutlich weniger als die Hälfte. Eine Allensbach-Umfrage hat 2009 in Deutschland ergeben, dass nur 17 Prozent der Befragten in etwa wissen, was Homöopathie eigentlich ist. Für Österreich dürfte ähnliches gelten: Viele halten jede pflanzliche Medizin für Homöopathie, einschließlich Kräutertee und Murmeltiersalbe. Globuli sind allerdings trotzdem relativ beliebt, das stimmt. Das liegt einerseits daran, dass sie, weil sie aus reinem Zucker bestehen, tatsächlich keine Nebenwirkungen haben. Andererseits ist das ein Erfolg der massiven Lobbyarbeit, die dazu geführt hat, dass die Homöopathie im Arzneimittelgesetz privilegiert ist: Sie muss keine Wirksamkeit nachweisen, darf aber wie echte Medizin nur in Apotheken verkauft werden."

Frage 2: Die Wirkstoffe werden in homöopathischen Mitteln so stark verdünnt, dass statistisch nicht einmal mehr ein Molekül im Globuli enthalten ist - wie kann Homöopathie dann wirken?

Pichler & Dellmour: "Die Homöopathie beweist, dass alle Arzneistoffe auch nicht-molekulare Wirkungen haben. Zahlreiche physikalische Untersuchungen zeigen, dass homöopathische Arzneimittel auch im höchsten Verdünnungen 'anders' als reines Lösungsmittel sind. Homöopathische Ärzte bezeichnen diesen Effekt als 'Arzneiinformation'." 

Berger: "Gar nicht. Die beobachteten 'Wirkungen' sind eine Mischung aus Placeboeffekten und natürlichem Krankheitsverlauf."

Frage 3: Jedes Arzneimittel muss vor der Zulassung durch klinische Studien, die die Wirkung belegen. Warum gilt das für homöopathische Mitteln nicht?

Pichler & Dellmour: "Klinische Studien werden an Kranken durchgeführt. Die Homöopathie untersucht ihre Arzneimittel aber an Gesunden. Bei diesen 'Arzneimittelprüfungen' reagieren nur Teilnehmer, die einen Ähnlichkeitsbezug zur geprüften Arznei haben. Dasselbe gilt für Studien an Kranken. Deshalb hat die Europäische Kommission für homöopathische Mittel ein besonders vereinfachtes Registrierungsverfahren erlassen und sieht besondere Regeln zur Bewertung der Wirksamkeit vor. Das Arzneimittelgesetz enthält entsprechende Bestimmungen für den Beleg der spezifischen homöopathischen Wirksamkeit, die sich an den Grundlagen der Homöopathie orientieren."

Berger: "Weil die Homöopathie-Lobby den EU-Bürokraten erfolgreich sinngemäß erklärt hat: Wir verdünnen eh so stark, dass nix mehr drin ist. Also kann's nicht schaden. Ob's wirkt, ist dann nicht mehr wichtig, denn hilft's nix, so schadt's nix. Und für die Wirtschaft wär's halt schon gut..."

Frage 4: Was kann die Homöopathie, was die Schulmedizin nicht kann?

Pichler & Dellmour: "Die Homöopathie bietet mehrere Vorteile: Durch die Anregung der Selbstheilung ist eine natürliche Heilung möglich. Es werden keine Krankheiten, sondern kranke Menschen ganzheitlich behandelt, indem homöopathische Mittel verordnet werden, die zum individuellen Zustand des Kranken passen. Homöopathische Arzneien wirken gleichzeitig auf der körperlichen und psychischen Ebene und sind bei akuten, chronischen und häufig wiederkehrenden Erkrankungen bewährt. Die Homöopathie ist praktisch nebenwirkungsfrei und kann gut mit der konventionellen Medizin kombiniert werden." 

Berger: "Sie kann dem Patienten das Gefühl geben, dass er wichtig und einzigartig ist, wenn er die 180 Euro für die Erstanamnese hinblättert. Außerdem ist sie keiner wissenschaftlichen Ethik verpflichtet und kann daher ungeniert lügen."

Frage 5: Wer heilt, hat Recht: Lässt sich dieser Leitsatz auch auf die Homöopathie übertragen? 

Pichler & Dellmour: "Grundsätzlich ist diese Aussage richtig. Jede verantwortungsvolle medizinische Behandlung erfordert eine ärztliche Diagnose und – wie in der Homöopathie – eine wissenschaftlich fundierte medizinische Theorie, Lehre und Praxis. Weltweit erleben mehrere Millionen Menschen pro Tag und zunehmend auch Tiere die gesundmachenden Wirkungen homöopathischer Arzneimittel."

Berger: "Ja, aber die Homöopathie steigt dabei nicht gut aus, weil sie nämlich nicht heilt. Placebos helfen vorübergehend dabei, Symptome zu lindern, aber sie heilen nicht."