Unlängst erschien ein (durchaus lesenswertes) Buch mit dem Titel: „Die Köchin von Bob Dylan“. Das erstaunt. Essen, trinken, leben, lieben, leiden, über die Straße gehen, auf den Lokus. All dies tut ein Mensch. Aber ein Mythos? Wozu braucht so jemand eine Köchin?
Wir schweifen ab, wir legen falsche Fährten, kurz: Wir sind im Bob Dylan-Universum. Also im Schattenreich des Tarnen und Täuschens und Tuschelns. Letzeres bezieht sich vor allem auf die eingeschworene Gemeinschaft der Bobianer, die da stets aufs Neue rätseln: Was heckt das Fleisch gewordene Enigma nun wieder aus?
Große Zärtlichkeit
Die Überraschung diesmal: Es gibt keine! Nach seiner unerwarteten, aber überaus warmherzigen Sinatra-Hommage „Shadows In The Night“ (2015) schlägt Meister Zimmermann mit „Fallen Angels“ den zweiten Teil seines Crooner-Katalogs auf. Wieder sind es ausschließlich Songs aus dem Great American Songbook – von „Young At Heart“ über „All Or Nothing At All“ bis „Come Rain Or Come Shine“ – die Dylan interpretiert, vielmehr mit großer Zärtlichkeit zelebriert.
Das Kunststück dabei: Jede einzelne Note, jeder einzelne Atemzug ist tiefer Melancholie geschuldet, dennoch ist jeder einzelne Ton, jeder einzelne Atemzug völlig zuckerfrei und befreit von den erstickenden Spinnweben der Vergangenheit.
Der Mensch Bob Dylan, der am kommenden Dienstag angeblich 75. Jahre alt wird, schlägt damit dem Mythos Bob Dylan ein listiges Schnippchen. Denn noch nie war der ewige Verweigerer so greifbar (und somit natürlich angreifbar) und der Unnahbare so nahe wie auf diesen klassischen Einsamkeitsstücken für die Ewigkeit. Der grelle Schmelz und das glatte Schmalz sind auf den bunten Boulevards von Las Vegas picken geblieben, Dylan leitet die Lieder stattdessen auf jenen Highway um, auf dem geschrieben steht: „No Direction Home“.
"Never Ending Tour"
Auch er kennt ihn nicht, diesen Weg nach Hause; wohl auch deshalb befindet sich Robert Zimmermann seit nahezu 30 Jahren auf einer „Never Ending Tour“. Unterwegs traf er vermutlich all jene Figuren, die dasselbe Ziel haben. Die Nachtschattengewächse, die Sturmumwehten und Schutzsuchenden, die Diebe, Gaukler, Mörder und Moralisten, die verlorenen Priester und verfluchten Heilsbringer. Und die Fallen Angels, die gefallenen Engel, die ihren Schmerz in die Nacht singen. Hört hin!
