Der Abschied von "TV Total" Mittwochabend war ein herzlicher, schmerzlicher. Gegen Ende verdrückte der sonst so laute Entertainer Stefan Raab ein paar Tränen.

1. Innovationsgeist. Mögen viele seiner Shows auch eine schier endlose Reihe an Blödelorgien gewesen sein, was Stefan Raab (49) und sein Team in 16 Jahren für ProSieben erfunden haben, ist einzigartig: von Autoball über Quizboxen und Eisfußball bis hin zu den Klassikern "Wok-WM" und "Schlag den Raab". Sagen wir so: Er hat dem Samstagabend auf der Couch einen Sinn gegeben. Ohne ihn bestehen diese künftig wieder aus Musik- oder Quizshows mit dem Gütesiegel 08/15.

2. Ironie. Seine unheimliche Karriere ist das Produkt der 1990er und deren Ironiekultur. Das trieb Raab gekonnt auf die Spitze, indem er jeden mitunter x-beliebigen Trash zum Kultformat erhob und jede Peinlichkeit, die das ganz gewöhnliche Anti-Satire-Fernsehen produzierte, auskostete. Zur Erinnerung: Lange bevor Youtube uns unterhielt.

3. Selbstironie. Austeilen konnte er wie ein Kaiser, einstecken aber auch. Die ewige Grinsekatze konnte auch über sich selbst lachen - zum Beispiel bei einem seiner ziemlich anstrengenden Live-Kraftsporteinsätze im Ganzkörperanzug oder bei seinem Song-Contest-Antritt im Glitzeranzug zu "Wadde hadde dudde da" im Jahr 2000.

4. Reizfigur. Das Fernsehen verliert einen seiner größten Reibebäume - und einen seiner besten Grimassenschneider. Raab konnte man nur mögen oder hassen - egal war er den wenigsten TV-Konsumenten. Daher machte "Schlag den Raab" auch immer Spaß: Fans fieberten mit ihrem Star, Gegner mit dem Herausforderer. Ähnlich erging es einem bei seinen vielen Interviews mit Stars und Sternchen. Mit steigendem Erfolg schrumpfte die Zahl seiner Kritiker.

5. Musikgespür. Stefan Raabs Händchen für Musik war nicht nur auf die Ukulele beschränkt: Shows wie SSDSGPS ("Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star") oder der Bundesvision Song Contest gaben Newcomern und Profis eine Bühne vor Millionen Zusehern. Er erschuf als sensibler Förderer Stars wie etwa Gregor Meyle und Stefanie Heinzmann. Mit seiner Erfindung Lena Meyer-Landrut gewann er 2010 den Song Contest und katapultierte sich mit diesem Clou selbst in den Popproduzenten-Olymp.

6. Polit-Show. Das Genre Polit-Talk gilt nicht unbedingt als das unterhaltsamste. Stefan Raab hat Fans und Kritiker vom Gegenteil überzeugt. 2013 interviewte er neben den Ernsthaften im TV-Business - nämlich Peter Kloeppel, Anne Will und Maybrit Illner - Kanzlerin Angela Merkel und ihren Herausforderer Peer Steinbrück. Ein großer Moment, der ihm eine Nominierung für den Grimme-Preis einbrachte.

7. Legendenstatus. Mit Stefan Raab tritt die nächste TV-Legende des deutschsprachigen Fernsehens ab. Late-Night-Talker Harald Schmidt ist schon in Show-Pension (auch wenn er im "Tatort" ein TV-Comeback feiert), Samstagabend-Unterhalter Thomas Gottschalk immer mehr. Bleibt noch der seriöse Allzweckmoderator Günther Jauch, allerdings ist dessen Spaßfaktor zuletzt geschrumpft.