Ein Kleinwüchsiger, ein Riese, ein Einarmiger, telepathische Holzscheite, mordende Bestien und ein schräger FBI-Agent: Als die Serie "Twin Peaks" Anfang April 1990 im US-Sender ABC lief, mussten Zuschauer Sehgewohnheiten über Bord werfen. Darsteller sprachen zuweilen rückwärts. Irgendwann wurde sogar eine Frau in einen Möbelknauf verwandelt. In dieser Serie war vieles unwirklich und alles möglich.

Dennoch war das Projekt von David Lynch ("Mulholland Drive") und Mark Frost ("Fantastic Four") so famos inszeniert, dass es TV und Mode der frühen 90er prägte - bis hin zum allgegenwärtigen Holzfällerhemd. Manche Serien wie "Akte X" wären ohne "Twin Peaks" kaum denkbar.

Das Tändeln zwischen Horrorfilm und Soap deutet sich schon im Vorspann an, das Magazin "Rolling Stone" bezeichnete die Musik von Angelo Badalamenti später als den "einflussreichsten Soundtrack der TV-Geschichte". Während eine E-Gitarre sanft den Takt vorgibt, hebt ein kleiner Buschzaunkönig den Kopf. Die Kamera zeigt Rauch, der aus altertümlichen Schloten in den Winterhimmel aufsteigt. Lange Momente sind dann nur noch Funken sprühende Kreissägen zu sehen.

Flöten und Klarinetten ergießen eine Flutwelle von Pathos über die eigenartig bedrohliche Sägenszene. Dann endlich der Schriftzug "Twin Peaks" und das Ortsschild mit der Einwohnerzahl 51.201. Dahinter ist die namensgebende doppelte Bergspitze am trüben Horizont zu sehen.

Die Handlung von "Twin Peaks" kann man ausgesprochen kurz oder ausgesprochen lang erzählen. Die kurze Version: Im Holzfäller-Kaff Twin Peaks im US-Staat Washington wird die Schülerin Laura Palmer ermordet, nach einigen Umwegen kommt heraus, der Vater war's.

Die lange Version ist verwinkelt, düster, schräg und widersprüchlich. Kyle MacLachlan (er hatte ebenso wie der Komponist schon bei "Blue Velvet" mit Lynch gearbeitet) spielt FBI-Special-Agent Dale Cooper. Immer freundlich, immer aufgeräumt, immer wie aus dem Ei gepellt. Seine Kollegin heißt Diane und ist ein schwarzes Diktiergerät, von dem man nie erfährt, ob es je abgehört werden wird. "Diane, 11 Uhr und 30 Minuten. 24. Februar. Ankunft in der Kleinstadt Twin Peaks. Sieben Kilometer südlich von Kanada, 15 Kilometer westlich von der Staatsgrenze. Ich hab noch nie so viele Bäume auf einmal gesehen."

Cooper kann sich immer kindlich über guten Kirschkuchen und heißen Kaffee freuen. Seine erste Frage in der Mordsache Laura Palmer: "Sheriff, was sind das für fantastische Bäume, die hier überall in der Gegend wachsen?" Der FBI-Mann ist unorthodox und entscheidet seine Ermittlungstaktik zuweilen mit einer Art Dosenwerfen.

Schnell stellt er fest: Irgendwie hängen fast alle in Twin Peaks irgendwo mit drin. Nachts sagen Menschen in Coopers Träumen Sätze wie "Feuer zieht mit mir." Tagsüber empfiehlt eine Oma ihren Holzscheit als Zeugen für die Ermittlung. Der wisse über alles Bescheid.

Wäre es nach Lynch und Frost gegangen, wäre der Mörder der hübschen Laura (Sheryl Lee) nie verraten worden. Doch sie mussten dem Druck der Geldgeber nachgeben, in den Folgen danach war viel Luft raus, auch wenn die Serie dank prominenter Gastregisseure stark blieb.

Absage vom Kult-Regisseur

Im Oktober 2014 hatte Lynch dann die Fortsetzung bekannt gegeben. "Es passiert wieder", hatte er auf Twitter geschrieben. Lynch und Frost wollten neun Folgen drehen, die dann 2016 - 25 Jahre nach dem Ende der Originalserie - ausgestrahlt werden sollten. Nun gab des Regie-Enfant-Terrible jedoch bekannt, sich aus finanziellen Gründen von dem Projekt zurückziehen zu wollen: "Nach einem Jahr und vier Monaten bin ich aus den Verhandlungen ausgestiegen, weil für die Bücher nicht genug Geld zur Verfügung steht, damit ich sie so umsetze, wie ich es tun möchte", erklärt Lynch via Twitter. Der Sender Showtime bedauerte Lynchs Verzicht in einer ersten Reaktion. In der Hauptrolle als FBI-Agent Dale Cooper soll wieder Kyle MacLachlan (56) dabei sein.