Die ÖVP wählte heute auf ihrem Parteitag in Linz Sebastian Kurz zum neuen Parteichef und Nachfolger von Reinhold Mitterlehner. Zugleich wurde eine Statutenreform beschlossen, mit der eine Reihe von Bedingungen des ÖVP-Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl umgesetzt werden. Kurz erhielt bei wesentlichen Personal- und Strategieentscheidungen freie Hand.

Der Bundesparteiobmann kann demnach künftig mit eigener Liste kandidieren, die von der Volkspartei unterstützt wird und für andere Personen, die nicht Parteimitglied sind, offen ist. Zugleich erhält der ÖVP-Chef ein Durchgriffsrecht auf die Listen. Kurz bekommt die Kompetenz zur Erstellung der Bundesliste für die Nationalratswahl und die EU-Wahl. Die Erstellung der Landes- und Regionallisten muss im Einvernehmen mit dem Bundesparteiobmann erfolgen, dem im Zweifelsfall ein Vetorecht zukommt.

Kleine Zeitung-Innenpolitik-Chef Michael Jungwirth hat live aus Linz analysiert:

Noch bevor der Parteitag beginnt, wurde der zu kürende Parteichef Sebastian Kurz Ehrengast Vitali Klitschko beim Eingang begrüßt. Der starke Mann im Ring - wohl kein zufällig gewähltes Symbol.  Kurz kennt den Kiewer Bürgermeister und ehemaligen Box-Champion Vitali von einem Treffen bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Das Wahlergebnis gibt Kurz Kraft - es ist das zweitbeste für einen Obmann in der Geschichte der Volkspartei. Reinhold Mitterlehner hatten 99,1 Prozent gewählt.

16.10 Uhr: 98,7 Prozent (464 von 470 abgebenen Stimmen) für Sebastian Kurz als Parteiobmann. Das Fest kann beginnen. Barbara Eibinger-Miedl erhielt als Stellvertreterin 468 Stimmen (99,2%), Thomas Stelzer 467 Stimmen (98,9%), Veronika Marte 464 Stimmen (98,3%) und Bettina Glatz-Kremser 463 Stimmen (98,1%).

Thomas Stelzer, Elisabeth Köstinger, Bettina Glatz-Kremsner, Sebastian Kurz, Barbara Eibinger-Miedl und Veronika Marte
Thomas Stelzer, Elisabeth Köstinger, Bettina Glatz-Kremsner, Sebastian Kurz, Barbara Eibinger-Miedl und Veronika Marte © APA/HANS PUNZ

15.45 Uhr: In wenigen Minuten wird das Wahlergebnis bekannt gegeben.

15.17 Uhr: Abschließend verspricht der neue Obmann, sich poilitischen Schmutzkübelkampagnen zu verschließen - die politischen Gegner kamen in seiner Rede denn auch kein einziges Mal vor. Dem Parteivorstand dankt er für den Mut, ihm den Weg zur Reform der Partei freigemacht zu haben, die Delegierten bittet er um Unterstützung.

15.05 Uhr: Es gelte, die Chancen des 21. Jahrhunderts der Digitalisierung zu nutzen, aber den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft nicht zu verlieren. Das funktioniere nur, wenn es gemeinsame Grundwerte gibt. Und das Bekenntnis der Zuwanderer zur Integration. Und Null Toleranz für Extremismus. Die Europäische Union sei Teil unserer Identität, spannt Kurz den Bogen nach Brüssel. Die westlich liberale Demokratie sei das Verbindende, mit einem maximalen Ausmaß an Freiheit. Diese sei bedroht, durch Regeln, Abgaben, etc. Der Staat müsse wieder mehr Gestaltungsspielraum erlauben, unter anderem dadurch, dass die Steuern sinken.

15.00 Uhr: Kurz weiß, was das Thema ist, mit dem er am meisten punktet: Die Migration. Und er beugt gleich vor: "Wenn man die Wahrheit ausspricht, wird man oft gleich ins rechte Eck gerückt." Daran, dass die Mittelmeerroute geschlossen werden müsse, führe kein Weg vorüber.

14.53 Uhr: Seine Vorhaben: Österreich wirtschaftlich zurück an die Spitze führen, soziale Absicherung gewährleisten, Wartezeiten auf Arzttermine und Operationen reduzieren, den Zugang zu Unterstützungsleistungen etwa für behinderte entbürokratisieren, in der Pflege diejenigen unterstützen, die in den eigenen vier Wänden Großes leisten. "Die Systeme haben den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt."

14.50 Uhr: Sein Credo: Dinge nicht schön reden. Dinge, die falsch laufen, zugeben. Veränderungsbereitschaft an den Tag legen. Seine Themen: Das Sozialsystem sowie Zuwanderung und Integration. "Sagen wir ehrlich, was Sache ist in unserem Land."

14.45 Uhr: Pröll habe ihm allerdings auch den Rat gegeben, dem damaligen ÖVP-Chef Spindelegger zu sagen: Ich mache alles, außer Integratoin." Die Delegierten lachen, und Pröll und Spindelegger auch - beide Ex-ÖVP-Chefs sitzen nebeneinander im Publikum. Es sei für ihn, Kurz, damals wirklich nicht gut gelaufen, und denen, die damals zu ihm getanen seien, vergesse er das niemals. Die Kritik sei nie abgerissen, die Blicke der Menschen auf der Straße nicht freundlicher geworden. Als die ersten Umfragen ihm bescheinigten, dass er in der Gunst der Wähler ins Bodenlose fiel, habe er für sich entschieden; "Ich lese nicht mehr alles, was über mich geschrieben habe, und ich glaube nicht mehr jeder Umfrage. Ich versuche zu tun, was ich für richtig halte." Daran halte er sich heute noch.

14.43 Uhr: Jetzt kommt Stimmung auf. Sebastian Kurz tritt ans Rednerpult. Er eirnnert an die lange, bewegte Geschichte der ÖVP, und daran, "dass jeder einzelne von uns eine eigene, persönliche Geschichte mit der Volkspartei hat." Es seien die schwierigen Zeiten, die einen prägen, bei ihm zum Beispiel der Anfang im Saatssekretariat für Integration. "Ich habe versucht, dass das mit 24 nicht funktionieren kann, dass die Medien mich hinrichten werden. Ich habe Sepp Pröll um Rat gefragt, und der hat gesagt: So oft fragt dich das keiner, das musst du machen!"

14.32 Uhr: Diskutiert wurde über die Anträge nicht, obwohl sie die Partei von Grund auf neu aufstellen. Der Vorarberger Landeshauptmann Markus Wallner präsentiert im Anschluss die Wahlvorschläge. Diese Wahl erfolgt in geheimer Abstimmung. Elisabeth Köstinger ist aufgeregt und übergeht die Vorstellung der StellvertreterInnen. Wallner. "Wir kommen schon noch zum Sebastian." Und wenig später: Jetzt sind wir bei ihm. Er hat zwei Eigenschaften, die ihn von den Mitbewerbern unterscheiden, Mut  und Durchsetzungkraft. Und genau das braucht jetzt unser Land."

14.25 Uhr: 467 von 523 stimmberechtigten Delegierten haben der Einladung zum "Hochamt" nach Linz Folge geleistet. Die Statutenreform wird in offener Abstimmung einstimmig agenommen. Der zweite Antrag: "Österreich kann mehr. Für eine Politik neuen Stils." Auch dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Köstinger: "Damit ist die ÖVP startklar für eine neue Zeit."

14.22 Uhr: Edith Mock sitzt im Publikum, und Sebastian Kurz verleiht ihr im Namen des Bundesvorstandes das Goldene Ehrenzeichen der Volkspartei für die aufopfernde Pflege und Betreuung, die sie ihrem Mann bis zuletzt angedeihen hat lassen.

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14.15 Uhr: Edith Mock kommt über eine Videoeinspielung zu Wort. Berührende Worte über den ehemaligen Obmann Alois Mock, und eine Verbeugung der Partei vor ihrer eigenen Vergangenheit.

14.13 Uhr: Mitterlehner geht ab. Mit ihm geht nicht nur ein Obmann, sondern auch eine ganze Ära für diese Partei.

14.10 Uhr: Kurz bedankt sich bei Mitterlehner für 20 Jahre Einsatz für die Partei. "Alles Gute für die weitere Zeit."

14.07 Uhr: Mitterlehner resümierend zu den Voraussetzungen für das Gelingen der Arbeit innerhalb einer Koalition: Beide Zeiten sollten auch der jeweilis anderen Seite einen Erfolg gönnen. Und es brauche den Faktor Zeit. "Wir brauchen Gelassenheit, auch Kontinuität, um Dinge umzusetzen. Wir sind depressiv und zu Tode betrübt, obwohl wir keine Wahl verloren haben, und heute euphorisch, obwohl wir noch keine Wahl gewonnen haben." Für ihn sei es Zeit gewesen, die Konsequenzen zu ziehen. "Es ist wie es ist. Heute habe die ÖVP bessere Perspektiven, bessere Chancen, wenn auch bei mehr Risiko. "Wie halten wir es mit der Partei als Wertegemeinscahft, mit jener Partei, die die Republik mitbegründet hat? Aber das ist nicht mehr mehr meine Angelegenheit", fand der scheinde Chef mahnede Worte zum Abgang.

Mahnende Worte: Reinhold Mitterlehner
Mahnende Worte: Reinhold Mitterlehner © APA/HANS PUNZ

14.05 Uhr: Mitterlehner macht kein Herz aus seiner Mördergrube: Vor einem Jahr sei er mit 99,1 Prozent bestätigt worden. Im Publikum sehe er dieselben Delegierten wie vor einem Jahr. Es mache einen nachdenklich, wenn er der vierte Partieobmann sei, der seine Periode nicht beende. "Wir sollten keine maximale, sondern eine Mindestfunktionsperiode einführen."

14.02 Uhr: Reinhold Mitterlehner am Mikrofon. Rhythmisches Klatschen begleitet ihn dorthin. Er hat schon Abschied genommen: "Ich bin dabei, mich zu resozialisiseren." Außer im urlaub sei er noch nie an einem Wochentag in einem Supermarkt gewesen. Eine neue Erfahrung: "Das Angebot hat mich nicht überrascht, aber es ist gut."

14.00 Uhr: Nicht dabei in Linz: Wolfgang Schüssel, Ex-Bundeskanzler der ÖVP, dem die "neue Volkspartei" unter Sebastian Kurz ins Kanzleramt nacheifern will.

13.56 Uhr: Der "Hausherr", Thomas Stelzer, ist auch eine der Neuen, vor erst drei Monaten übernahm der oberösterreichische Landeshauptmann die dortige ÖVP. Er sieht seine Partei auf dem Weg, die Nummer 1 zu werden. Aber auch Landsmann Reinhold Mitterlehner kriegt ein großes Dankeschön mit auf den Weg. Klubobmann Reinhold Lopatka wurde von Köstinger in einem Versprecher auch Mitterlehner genannt wurde... 

13.54 Uhr: Vier weitere ehemalige Parteichefs sind heute da: Josef Taus, Erhard Busek, Willi Molterer, Josef Pröll und Michael Spindelegger. Alle haben sich einen Umbau der Partei gewünscht, weil sie daran scheiterten.

13.48 Uhr: Der "Basti" wurde mit heftigem Applaus begrüßt, der Part, die insgesamt 1200 Gäste im Linzer Design Center zu empfangen, fällt Generalsekretärin Elisabeth Köstinger zu. Einen warmen Applaus gibt es auch für den bisherigen Obmann Reinhold Mitterlehner. Kurz wird mit Freundin Susanne und Eltern Elisabeth und Josef willkommen geheißen. Ein Familienfest der ÖVP, die ihren Namen heute versteckt. Türkises Design, Umzugskartons als Dekoration - als Sinnbild dafür, dass neue Zeiten anstehen, dass die Volkspartei sich in Bewegung setzt, zur "Bewegung" werden will. Köstinger: "Wir haben heute für den Umbau geöffnet. Alles steht für Aufbruch."

13.45 Uhr: Die rund 600 stimmberechtigten Delegierten durften schon am Vormittag arbeiten: Ihnen wurden - zumeist von Regierungsmitgliedern die geplanten inhaltlichen Inhalte präsentiert und sie wurden aufgefordert, ihre Schwerpunkte zu deponieren. Es wurde alles protokolliert, der Vorsitzende soll es aufnehmen und einarbeiten in sein Programm.

13.40 Uhr: Mit zehn Minuten Verspätung geht es los. Der zu kürende Parteichef Sebastian Kurz hat vor Beginn des Parteitages Ehrengast Vitali Klischtko begrüßt. Jetzt beginnt der Parteitag - danach steigt das "Fest der 5.000".

Neben Klitschko ist am Parteitag selbst auch KTM-Chef Stefan Pierer anwesend. Andere Promis wie die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg, die nach einem Trainingsunfall im Rollstuhl sitzt, Runtastic-CEO Florian Gschwandner oder der Schauspieler Serge Falck, dessen Vater Ludo Dierickx Grün-Politiker in Belgien war, nehmen nach dem Parteitag am Sommerfest der "Bewegung Sebastian Kurz" vor dem Design Center teil.

Vorreihung mit mehr Stimmen

Der Parteitag ist der Bestellung von Sebastian Kurz zum Parteivorsitzenden und der Beschlussfassung über die Statutenreform gewidmet, die Kurz umfassende Vollmachten zusichert.

Die Entscheidungskompetenz für die Bestellung des ÖVP-Regierungsteams sowie der Generalsekretäre bzw. Geschäftsführer liegt nach der Statutenreform ebenso beim Bundesparteiobmann wie inhaltliche Vorgaben zur Positionierung der Volkspartei. Auf allen Wahllisten soll künftig ein Reißverschlusssystem gelten, das abwechselnd Mann, Frau, Mann bzw. Frau, Mann, Frau vorsieht. Über das tatsächliche Abschneiden entscheiden dann aber die Wähler mittels Vorzugsstimmensystem. Wer mehr Stimmen erreicht, wird vorgereiht. Das Vorzugsstimmenmodell wird allerdings nicht statutarisch festgelegt.

Der Parteitag im Linzer Design Center liefert auch den Auftakt für den Start der "Bewegung Sebastian Kurz". Höhepunkt ist die Rede des neuen Parteichefs, die um die inhaltlichen Themen Standort, Sicherheit und Soziales kreisen soll. Nach der Kür von Kurz werden auch dessen neue Stellvertreterinnen und Stellvertreter gewählt: Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner, die Bregenzer Stadträtin Veronika Marte, die steirische Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl sowie der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer. Den Abschluss des Parteitags bildet ein Sommerfest, zu dem an die 5.000 Unterstützer erwartet werden.