Anerkannte Flüchtlinge, die keinen Job finden, sollen zur Verrichtung von gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Mit diesem Vorstoß sorgte Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) für Aufregung und für eine seither anhaltende Diskussion. Nach dem Vorbild Deutschlands sprach er sich dafür aus, dass Mindestsicherungsbezieher mit Asylstatus gemeinnützige Jobs annehmen, die ihnen lediglich mit einer Aufwandsentschädigung von ein paar Euro abgegolten werden - sogenannte „Ein-Euro-Jobs“. Es handle sich dabei um eine Maßnahme zur besseren Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt, bekräftigte der Minister. Mit seiner Maßnahme dürfte der ÖVP-Politiker aber auch eine mögliche Form der Deradikalisierung im Auge haben: „Wer den ganzen Tag zu Hause und im Park herumsitzt, der hat auch einmal Tagesfreizeit, um auf blöde Ideen zu kommen.“

Seither gehen die politischen Wogen hoch. Die anderen Parteien reagierten zustimmend bis ablehnend, von einigen NGOs hagelt es Kritik am Vorstoß des Ministers. Doch worum geht es bei dem Schlagwort „Ein-Euro-Jobs“ überhaupt? Für wen soll es sie geben und wie sollen sie aussehen? Ein paar Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Was sind „Ein-Euro-Jobs“?

Es handelt sich dabei um gemeinnützige Tätigkeiten, zu denen Bezieher von staatlichen Sozialleistungen verpflichtet werden. Für ihre Arbeiten werden sie, zusätzlich zu ihren Sozialbezügen, mit einem sehr geringen Betrag entlohnt. Aus diesem Grund trägt diese Form der Beschäftigung den Namen „Ein-Euro-Job“.

Gibt es diese Jobs in Österreich bereits?

Nein. Bezieher der Mindestsicherung stehen aktuell nicht in der Pflicht, solche Jobs anzunehmen. Sehr wohl sind sie aber verpflichtet, sich nach einer normalen Arbeit umzusehen. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert nun, dass anerkannte Flüchtlinge, die Mindestsicherung beziehen und keinen Job finden, gemeinnützige Tätigkeiten in Form dieser „Ein-Euro-Jobs“ verrichten. Menschen, die noch keinen Asylstatus erhalten haben und noch im Verfahren sind, dürfen diese niedrig bezahlten Jobs seit Kurzem ebenfalls annehmen. Denn einen Zugang zum normalen Arbeitsmarkt haben sie nicht. Im Gegensatz zu anerkannten Flüchtlingen werden sie dazu aber nicht verpflichtet, sondern können diese Jobs freiwillig annehmen.

Wer soll die Ein-Euro-Jobs bekommen?

Menschen, die Asyl erhalten haben und auf dem regulären Arbeitsmarkt nicht unterkommen. Sie erhalten Mindestsicherung. Geld aus den Ein-Euro-Jobs soll es dazugeben. Ist ein anerkannter Flüchtling wenig gebildet und mangelt es ihm an Deutschkenntnissen, soll er zur Jobannahme verpflichtet werden. Wer sich weigert, dem drohen Leistungskürzungen. Von der Verpflichtung ausgenommen sind österreichische Bezieher (deshalb die Verknüpfung mit Deutschkenntnissen) und Asylwerber. Ob diese unterschiedliche Behandlung rechtlich möglich ist, ist unklar. Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht vor, anerkannten Flüchtlingen die gleichen Leistungen zu gewähren wie Inländern.

Wie könnten diese Jobs aussehen?

Bei Aufgaben wie der Instandhaltung von öffentlichen Flächen, der Betreuung von neu ankommenden Asylwerbern oder der Arbeit in sozialen Einrichtungen kann sich Integrationsminister Kurz die Mitarbeit von anerkannten Flüchtlingen vorstellen. Nach deutschem Vorbild könnten diese Ein-Euro-Jobs 15 bis 30 Wochenstunden umfassen. Anbieten soll sie die öffentliche Hand, in weiterer Folge auch Nichtregierungsorganisationen. Privatfirmen bleibt das Angebot solcher Jobs verwehrt. Vermittelt werden sollen sie über das Arbeitsmarktservice (AMS). Eine Koppelung an die Residenzpflicht soll zudem eine Abwanderung in die Städte verhindern.

Woher kommt die Idee?

Der Begriff entspringt der Reform des deutschen Sozialsystems und des Arbeitsmarktes, die von SPD-Kanzler Gerhard Schröder 2003 eingeführt wurde. Herzstück der „Agenda 2010“ ist das Konzept der Kommission unter Leitung von Peter Hartz, die das Arbeitslosengeld II (genannt Hartz IV) als Grundsicherung für Erwerbsfähige vorsieht, sobald der Anspruch auf Arbeitslosengeld I nach einem Jahr endet. Darin enthalten ist die „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ (Ein-Euro-Job) zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. 985.000 gelten als langzeitsarbeitslos (37 Prozent aller Erwerbslosen). 75.000 haben einen Ein-Euro-Job. Vorwurf: Sie schönen die Statistik, da sie nicht als arbeitslos gelten. Der Effekt, Langzeitarbeitslose wieder an regelmäßige Beschäftigung zu gewöhnen und besser zu integrieren, ist laut Bundesanstalt für Arbeit nicht eingetreten. Mit dem Zusatzjob im Lebenslauf sinkt die Chance auf dem Markt.

Wer argumentiert dafür, wer ist dagegen?

Gegner wie Gewerkschaftsbund, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung befürchten, dass eine solche Beschäftigung am „zweiten Arbeitsmarkt“ abseits von Entlohnungsregeln zu Sozial- und Lohndumping führen könnte. Es könnte zudem zur Verdrängung von inländischen Firmen und damit österreichischen Arbeitnehmern führen. Das Institut für Wirtschaftsforschung sieht die Jobs positiv für die Integration in den Arbeitsmarkt und sieht ausreichend Nachfrage, ebenso wie die schwarzen Bünde der Senioren und der Wirtschaft. Der Koalitionspartner SPÖ zeigt sich abwartend bis gesprächsbereit, die Grünen warten ebenfalls - auf konkrete Vorschläge. Zustimmung kommt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die Neos attestieren ein fehlendes Gesamtkonzept. Das Team Stronach ist für die Jobs, aber ohne Entlohnung. Die Mindestsicherung sei genug.