Acht Monate nach seinem viel beachteten Appell für eine Neugründung der Europäischen Union sprach der französische Präsident Emmanuel Macron heute erstmals vor dem Europaparlament in Straßburg. Macron nutzte die Gelegenheit, um die EU-Staaten zu mehr europäischem Engagement aufzurufen. Er warb in seiner Rede für einen Schulterschluss sowohl innerhalb der EU, als auch nach außen hin.

Macron warnte vor dem Erstarken der Autokratien und appellierte an die EU-Parlamentarier, die liberale Demokratie zu verteidigen. Und er sicherte höhere Ausgaben Frankreichs für das EU-Budget zu - wenn die Mittel effektiver ausgegeben werden.

Die Antwort auf Autokratien sei "nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie", erklärte Macron in Straßburg.

Im Europaparlament wurde der Auftritt Macrons, der im vergangenen Jahr einen ausgesprochen proeuropäischen Wahlkampf geführt hatte, mit Spannung erwartet. Nicht wenige Abgeordnete sehen in dem 40-jährigen Staatschef einen Hoffnungsträger, der dem europaweiten Trend zu Populismus und EU-Feindlichkeit entgegentreten kann.

"Europäischer Bürgerkrieg"

Europas Debatte über die Werte nannte der Präsident einen "europäischen Bürgerkrieg", es handle sich um einen Kampf zwischen "liberalen und illiberalen" Ideen.

Mit Verweis auf die Europawahlen im Mai 2019 ermutigte er die Parlamentarier, die direkte Debatte mit den Bürgern zu suchen, "auch wenn es dort hart und ruppig zugehen kann".

Macron forderte eine "Wiedergeburt Europas", und ein Schließen der Kluft zwischen Nord- und Südeuropa.

"Eine Kultur, die verbindet"

Die "europäische Demokratie ist unsere Trumpfkarte", sagte er. Der größte Fehler wäre es, dieses Modell preiszugeben. "Nicht nur Geld oder ein Vertrag" verbinde Europa, sondern "ein Zusammengehörigkeitsgefühls, eine Kultur", betonte er. Paris wäre zudem bereit mehr ins EU-Budget einzuzahlen, falls dieses effizienter werde.

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Der französische Präsident sprach auch die Partner Europas an. Wobei er zu US-Präsident Donald Trump sagte, dass "dieser Verbündete zwar mächtig ist wie kein anderer, aber auch gleichzeitig zerbrechlich". So sei Trump "der Versuchung ausgesetzt, verschiedene Dinge in Abrede zu stellen", nannte Macron den Klimawandel und den Schwenk der USA. Er hoffe auf eine "Untergrenze für den CO2-Preis". Frankreich werde sich für die Entrichtung einer CO2-Abgabe einsetzen. "Das wäre eine Grundvoraussetzung für einen glaubwürdigen Wandel".

Datenschutz

Schließlich nannte Macron den Schutz der Daten der Bürger im Digitalbereich als Priorität. "Wir können durchaus Innovation fördern, aber gleichzeitig müssen wir die Kapazitäten aufbauen, die individuellen Rechte weiter zu schützen".

Entschieden wandte sich Macron gegen einen gewissermaßen europäischen Bürgerkrieg, in dem nationale Egoismen stärker zurückkommen. "Die illiberale Faszination wird von Tag zu Tag größer". Aber "wenn wir uns nicht klar zu Demokratie mit allen Facetten in Europa bekennen, sind wir auf dem Holzweg". Es dürfe nicht wieder zu Zerreißproben der Vergangenheit kommen. "Wir müssen an der Quelle der Demokratie ansetzen" und man dürfe sich nicht in die eigene Tasche lügen.

Souveränität

Es müsse eine "neue europäische Souveränität aufgebaut werden, die den Bürgern klare entschlossene Antworten bietet. Damit klar wird, dass wir sie schützen können gegenüber der Unordnung der Welt". Es "sollte nicht die todbringende Illusion hier greifen, die unseren Kontinent in den Abgrund stürzt". Gegenüber einer "autoritären Grundeinstellung überall" sei die Antwort "nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität durch Demokratie", so Macron.

Notwendig sei natürlich eine kritische Debatte über Europa. Wesentlich sei die europäische Souveränität, "an die ich hier glaube". Gerade im Vorfeld der anstehenden EU-Wahlen nächstes Jahr sei es wichtig, die Werte hochzuhalten. Dies liege manchmal brach. "Wir müssen innovativ vorgehen". Er wolle nicht, dass die Illusion der Gewalt mit einem Verzicht auf Freiheit verbunden Platz greife, denn das wäre ein "Europa, in dem die Demokratie zur Ohnmacht verurteilt" werde.