In die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich gehen der europafreundliche Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen. Die beiden lieferten sich am Sonntag im ersten Wahlgang lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gegen Ende wurde der Vorsprung des Linksliberalen dann etwas deutlicher. Hier lesen Sie alles aus unserem Live-Ticker nach.

Etablierte Parteien geschlagen

Laut Angaben des Innenministeriums vom frühen Montag lag Macron nach Auszählung fast aller Stimmen mit 23,82 Prozent vorne vor Le Pen, auf die 21,58 Prozent entfielen. Die Kandidaten der 60 Jahre lang das Staatsoberhaupt stellenden Konservativen oder Sozialisten schafften es nicht in die zweite Runde am 7. Mai. Für diese sagten die noch am Abend veröffentlichte Umfragen dem unabhängigen Macron fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorher. Dieser kündigte an, er wolle das europäische Projekt erneuern und sich rasch eine Mehrheit im Parlament verschaffen.

Insgesamt waren rund 47 Millionen Franzosen zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 Prozent. Politiker der unterlegenen Lager riefen zur Wahl Macrons in der Stichwahl auf. So appellierte der sozialistische Regierungschef Bernard Cazeneuve an seine Landsleute, für Macron zu stimmen und dem Front National eine Niederlage zu bereiten. Auch mehrere Politiker in Europa drückten Macron ihre Unterstützung aus.

"In einem Jahr haben wir das Gesicht der französischen Politik verändert", sagte Macron, dessen Bewegung "En marche!" (Vorwärts!) erst vor einem Jahr gegründet wurde. Er wolle eine Mehrheit bilden, um mit neuen Gesichtern zu regieren. "Ich will der Präsident der Patrioten sein gegen die Bedrohung durch die Nationalisten", sagte der 39-Jährige. Er reagierte damit auf Le Pen, die vor ihren Anhängern "alle Patrioten" aufgerufen hatte, sie zu unterstützen.

Befreiung von "arroganter Elite"

Le Pen nannte ihr Ergebnis "historisch". Es sei an der Zeit, das französische Volk von der "arroganten Elite" zu befreien. Mit Macron, den sie als Erbe des scheidenden Präsidenten Francois Hollande titulierte, werde sich nichts ändern: "Frankreichs Überleben steht auf dem Spiel." Hollande gratulierte Macron in einem Telefonat zum Einzug in die Stichwahl. Der bei den Wählern unbeliebte Sozialist hatte auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit verzichtet.

Lässt sich für Platz zwei feiern: Marine Le Pen
Lässt sich für Platz zwei feiern: Marine Le Pen © (c) APA/AFP/JOEL SAGET (JOEL SAGET)

Der lange als Favorit gehandelte konservative Kandidat Francois Fillon hatte wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre um seine Frau und zwei seiner Kinder massiv an Zustimmung verloren. Am Sonntagabend rief er zerknirscht dazu auf, in der Stichwahl für Macron zu stimmen: "Es gibt keine andere Wahl, als gegen die Rechtsextreme zu stimmen." Fillon lag mit 19,96 Prozent an dritter Stelle.

Auch der Linke Jean-Luc Melenchon, der wie Le Pen für einen Austritt aus der Euro-Zone eintrat, schaffte es mit 19,49 Prozent an vierter Stelle nicht in die Stichwahl. Er hatte in den Wahlumfragen zuletzt deutlich aufgeholt. Melenchon sagte, er werde für den 7. Mai keine Empfehlung abgeben. Insgesamt waren elf Kandidaten angetreten.

Der Sozialist Benoit Hamon war im Wahlkampf stets blass geblieben und hatte mit der Unbeliebtheit von Staatschef Hollande zu kämpfen. Er und eine Reihe weiterer sozialistischer Spitzenpolitiker riefen dazu auf, im zweiten Wahlgang für Macron zu stimmen, der Hollande zwei Jahre lang als Wirtschaftsminister gedient hatte.

Erleichterung in Europa

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) begrüßte den Erfolg Macrons. "Das ist ein Ergebnis, mit dem wir sehr gut leben können", erklärte Kern am Sonntagabend in Jerusalem. Erfreut kommentierten den sich abzeichnenden Sieg Macrons in der ersten Wahlrunde auch ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas und Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Neos-Chef Matthias Strolz sagte, dass das Votum für Macron "Mut und Hoffnung" mache, weil dieser "entschlossen für das gemeinsame Europa und eine vorwärtsgewandte sowie offene Gesellschaft kämpft".

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte Macron. Juncker wünsche ihm für die Stichwahl viel Erfolg, sagte ein Sprecher des Kommissionspräsidenten. Auch der Sprecher der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wünschte Macron viel Glück. "Gut, dass Emmanuel Macron mit seinem Kurs für eine starke EU und soziale Marktwirtschaft Erfolg hatte", twitterte Steffen Seibert.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini begrüßte den Wahlerfolg Macrons. "Zu sehen, wie die Flaggen Frankreichs und der EU das Ergebnis von Emmanuel Macron begrüßen - das ist die Hoffnung und die Zukunft unserer Generation", schrieb die Politikerin am Sonntagabend bei Twitter.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel zeigte sich erleichtert über den Einzug Macrons in den zweiten Wahlgang. Der SPD-Politiker twitterte: "Bin froh, dass Emmanuel Macron Wahlen anführen wird. Er war der einzige wirklich pro-europäische Kandidat."

Aufatmen am Finanzmarkt

Unter Finanzmarktexperten sorgte der Ausgang des ersten Wahlgangs für Erleichterung - sie hatten eine Stichwahl zwischen den Euro-Gegnern Le Pen und Melenchon gefürchtet. "Es ist nicht zu einem Horror-Ergebnis gekommen, das die Stabilität der Währungsunion bedroht hätte", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: "Es werden nicht Links- und Rechtsradikale gemeinsam in die zweite Runde gehen. Das ist sehr gut." Dass Le Pen nicht stärker als in den Umfragen abgeschnitten habe, senke die Risiken, dass es in der entscheidenden Runde schief gehen könnte, sagte Krämer. "Deshalb gehen wir davon aus, dass Macron neuer Präsident wird."

Le Pen lehnt den Euro ab und befürwortet die Rückkehr zu nationalen Währungen. Macron dagegen ist ein Befürworter der EU und der Euro-Zone, er hat sich aber auch kritisch über die deutsche Exportstärke geäußert. Dennoch war er von deutschen Regierungsmitgliedern öffentlich unterstützt worden. Der Euro reagierte mit Kursgewinnen und erreichte gegenüber dem Dollar den höchsten Wert seit fünfeinhalb Monaten.

Bis zuletzt war Umfragen zufolge knapp ein Drittel der Wahlberechtigten unentschlossen. Meinungsforschern zufolge bestimmten die Arbeitslosigkeit, die Wirtschaftsentwicklung und die Glaubwürdigkeit der Politiker die Entscheidung der Wähler. Aber auch die Sicherheit spielte eine große Rolle. Erst am Donnerstag war in Paris bei einem Attentat ein Polizist getötet worden, eine deutsche Touristin war verletzt worden. Noch immer herrscht in Frankreich der Ausnahmezustand. Seit Anfang 2015 wurden dort mehr als 230 Menschen bei Anschlägen getötet.

Das sind die Duellanten: