US-Präsident Donald Trump hat dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zum Ausgang des Verfassungsreferendums gratuliert. Trump habe dem türkischen Präsidenten am Montag telefonisch Glückwünsche überbracht, bestätigte das Weiße Haus am Montagabend (Ortszeit). Zuvor hatte die staatliche türkische Agentur Anadolu darüber berichtet.

Nach dem vorläufigen Endergebnis der Wahlkommission stimmten 51,4 Prozent für die demokratiepolitisch umstrittene Verfassungsreform und die damit verbundene Einführung eines Präsidialsystems. Die Wahlbeteiligung betrug nach Regierungsangaben mehr als 85 Prozent.

Ausnahmezustand verlängert

In der Türkei wurde nach dem umstrittenen Sieg der landesweite Ausnahmezustand um drei Monate verlängert. Zuvor hatte bereits der Nationale Sicherheitsrat die Verlängerung empfohlen. Als Begründung habe der Sicherheitsrat angegeben, die Maßnahme diene "dem Schutz unserer Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie der Rechte und Freiheiten unserer Bürger".

Der Ausnahmezustand wurde am 20. Juli, fünf Tage nach dem Putschversuch, verhängt und im Oktober und im Jänner für jeweils drei Monate verlängert. Unter dem Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zudem verfügt der Präsident über das Recht, per Dekret zu regieren. Am Mittwoch wäre er ausgelaufen.

US-Bericht über Ausgang

Trumps Sprecher Spicer hatte sich am Nachmittag noch zurückhaltend zum Ausgang des Referendums geäußert. "Es gibt eine internationale Kommission, die das untersucht und in zehn bis zwölf Tagen ihren Bericht veröffentlichen wird. Wir werden warten und sie ihren Job machen lassen", sagte er mit Blick auf die Kommission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Freiheiten achten

Das US-Außenministerium forderte die Regierung und Präsident Erdogan auf, die grundlegenden Rechte und Freiheiten aller Bürger zu achten. Dabei dürfe es nicht darauf ankommen, wie diese am 15. April abgestimmt hätten, hieß es in einem Statement des Sprechers Mark Toner. Auch er nahm Bezug auf die ersten Erkenntnisse von OSZE-Wahlbeobachtern, die Unregelmäßigkeiten sowohl im Wahlkampf als auch am Abstimmungstag gesehen hätten. Es müsse nun der endgültige Bericht der OSZE-Kommission abgewartet werden.

EU-weite Reaktionen

Politiker in der EU hatten sich dagegen zurückhaltend zu dem Abstimmungsergebnis geäußert. Für Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) gibt es für die Türkei nach dem Referendum vom Sonntag derzeit quasi keine Chance auf einen EU-Beitritt. "Wir haben erlebt, dass mit dem gestrigen Tag de facto die Beitrittsperspektive begraben worden ist", sagte der Regierungschef am Montagnachmittag im Bundeskanzleramt vor Journalisten.

"Präsident (Recep Tayyip, Anm.) Erdogan hat uns ja allen ausgerichtet, dass er Europa für einen verrotteten Kontinent hält", so Kern. Das Referendum in der Türkei habe gezeigt, dass die Türkei "weit weg" vom Weg nach Europa sei, sagte der Kanzler.

Damit sei klar, dass die Vorbeitrittshilfen der EU an die Türkei "hinfällig" sind, sagte Kern. Dies bedeute, "dass wir in eine neue Ära gehen". Die Zahlungen im Rahmen des Flüchtlings-Deals stünden aber außer Streit, hier erfülle die Türkei ja ihre Verpflichtungen, sagte Kern.

Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat ein klares Signal der EU nach dem mehrheitlichen Ja in der Türkei für die umstrittene Verfassungsreform gefordert. Er erneuerte seine Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara: "Die Türkei kann nicht Mitglied werden." Die "Fiktion" eines Beitritts müsse daher beendet werden.

Wenn das Ja auch "sehr knapp" ausgefallen sei, so Kurz, bedeute es, dass sich die Türkei immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entferne. Das Votum sei daher auch "ein klares Signal gegen die Europäische Union", auf das er sich eine klare Reaktion der Europäischen Union erwarte. "Es braucht endlich Ehrlichkeit, was das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei betrifft, verlangte Kurz in einem Telefongespräch mit der APA in der Nacht auf den Ostermontag. Statt eines Beitritts sprach sich Kurz erneut für einen Nachbarschaftsvertrag mit der Türkei aus. 

Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen entfernt sich die türkische Regierung "mit dem umstrittenen und knappen 'Ja' zu einem 'autoritären Präsidialsystem' - wie das die Venedig-Kommission des Europarates bezeichnet hat" weiter von den demokratischen Werten und Standards Europas. "Ein EU-Beitritt der Türkei rückt in immer weitere Ferne", erklärte der Präsident.

"Dennoch sollten wir besonnen bleiben und die Tür nicht mit einem lauten Knall zuschlagen, sondern mit der Türkei im Gespräch bleiben", so der Bundespräsident am Ostermontag. Eine weitere Eskalation sei weder im Interesse der EU noch der Türkei.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) griff zuvor in einem Tweet in Reaktion auf den Ausgang des Verfassungsreferendums jene auf, die dagegen stimmten: "Erdogan hat den Bruch mit dem europäischen Grundkonsens von Demokratie und Rechtsstaat gesucht, fast die Hälfte der Türken ist ihm nicht gefolgt.", schrieb er.

"Erdogan-Opposition nicht vergessen"

Auch Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, mahnte, die EU dürfe die Erdogan-Opposition nicht vergessen, die heute für eine demokratische Türkei gestimmt habe. Dass trotz des massiven Drucks bis hin zu Gewaltdrohungen und Inhaftierungen sowie Ausschaltung der Medienfreiheit das Nein-Lager ein derartig starkes Zeichen für eine demokratische wie europäische Türkei gesetzt habe, lasse für eine Zukunft nach dieser autoritären "Revolution von oben" hoffen. Die relativ knapp bestätigte autoritäre Ausrichtung der Erdogan'schen Politik müsse von der EU mit einem gleichermaßen eindeutigen Bekenntnis zu den europäischen Werten beantwortet werden. Die von Erdogan angestrebte verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit dürfe es nicht geben, solange er seinen autoritären Kurs fortsetze. Verhandlungen über die Modernisierung der Zollunion dürften erst geführt werden, wenn Erdogan unter Beweis gestellt habe, dass er bereit sei, Zugeständnisse zu machen und zur Demokratie zurückzukehren.

Auch VP-Chef Reinhold Mitterlehner klargemacht, dass ein EU-Beitritt der Türkei nach dem mehrheitlichen Ja für die umstrittene Verfassungsreform derzeit kein Thema sein kann. "Die Türkei entfernt sich mit diesem Votum weiter von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Es wird Zeit, dass Europa sein Verhältnis zur Türkei neu klärt", so Mitterlehner am Montag.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat nach dem Referendum in der Türkei einen sofortigen und endgültigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen gefordert. Darüber hinaus ortete er angesichts des hohen Zuspruchs der Türken in Österreich zur umstrittenen Verfassungsreform ein "Totalversagen von SPÖ, ÖVP und Grünen", wie er in Einträgen auf Facebook schrieb.

Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, forderte, dass die Europäische Kommission nun prüfe, ob die Türkei die von Beitrittskandidaten zu erfüllenden Kopenhagener Kriterien überhaupt noch erfülle.

Zurückhaltung bei EU-Kommission

Die EU-Kommission hatte am Sonntagabend zurückhaltend auf den Ausgang des Verfassungsreferendums in der Türkei reagiert. Die Verfassungsänderungen "und insbesondere ihre praktische Umsetzung" sollten im Lichte der Verpflichtungen der Türkei als EU-Beitrittskandidat und als Mitglied des Europarats begutachtet werden, ließen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wissen.Die EU-Vertreter riefen die Regierung in Ankara zur Mäßigung auf. Die Regierung müsse bei der Umsetzung der Verfassungsänderungen "den breitest möglichen nationalen Konsens" anstreben, hieß es. Das Streben nach Konsens sei wichtig "angesichts des knappen Ergebnisses und der weitreichenden Konsequenzen der Verfassungszusätze".

"Die Vollmitgliedschaft kann kein Ziel mehr sein"

Manfred Weber
Manfred Weber © APA/EPA/PATRICK SEEGER

Der Ruf nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kam auch erneut vom deutschen Politiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU). "Die Vollmitgliedschaft kann kein Ziel mehr sein", sagte er im Sender ZDF.Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind seit Langem umstritten. Die Europäische Union hatte sie 2005 aufgenommen, zuletzt aber keine neuen Kapitel mehr in Angriff genommen. Die Verhandlungen lagen also quasi auf Eis. Abbrechen wollte die EU sie bisher aber nicht, um der Türkei die Tür nicht endgültig zuzuschlagen. Weber bezeichnete die Beitrittsperspektive für die Türkei als "Lebenslüge", die nun vom Tisch genommen werden müsse. Die Staats-und Regierungschefs müssten bei ihrem nächsten Gipfeltreffen in zwei Wochen eine Neubewertung der Beziehungen zur Türkei vornehmen, sagte Weber.

Der Wahlkampf hatte das Verhältnis der Türkei zur EU auf einen Tiefpunkt sinken lassen. Erdogan hatte mit Nazi-Vorwürfen auf die Absage türkischer Wahlkampfauftritte in EU-Ländern reagiert. Der Präsident hatte Europa zudem als "verrottenden Kontinent" bezeichnet und angekündigt, das Verhältnis auf den Prüfstand zu stellen.