Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eingeräumt, dass die Europäische Union in tiefen Schwierigkeiten steckt. Zum ersten Mal müsse die Gemeinschaft nicht nur eine Krise bewältigen, sagte er am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Juncker?".

"Diesmal haben wir es mit einer Polykrise zu tun", meinte Juncker. "Es brennt an allen Ecken und Enden - nicht nur an europäischen Ecken und Enden. Aber dort, wo es außerhalb Europas brennt, verlängert sich die Feuersbrunst nach Europa."

Wachsende Distanz

Einen Anfang vom Ende der EU sehe er nicht, sagte Juncker. Doch zeigte er Verständnis für den Unmut einiger Bürger. Die EU habe sich zwangsläufig von den Menschen entfernt, es gebe Gräben, so wie in den Einzelstaaten auch. Er habe versucht, dies von Brüssel aus zu korrigieren. Die EU-Kommission kümmere sich nun vorwiegend um die großen Probleme und wolle sich nicht "im täglichen Kleinklein" verlieren. Auch suchten die Kommissare den Bürgerdialog und reisten in der ganzen Union herum. "So weit vom pulsierenden Leben sind wir nicht entfernt", sagte Juncker.

Er äußerte sich einen Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Dort soll unter anderem die Migrationskrise wieder Thema sein, die aus Junckers Sicht nach wie vor nicht bewältigt ist.

Entwarnung wegen Italien

Juncker befürchtet kein neues Aufflammen der Eurokrise wegen der Probleme italienischer Banken. "Ich glaube nicht, dass von Italien etwas ausgehen könnte, was einer neuen Eurokrise ähnlich sehen würde."

Die europäische Schuldenkrise sei "mit den Bordmitteln bekämpft" worden. "Die Eurokrise in der Form, in der es sie gab, gibt es ja nicht mehr", sagte Juncker. Die Beschäftigung wachse, seit 2013 seien acht Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone liege wieder auf dem Niveau des Vorkrisenjahres 2007. "Vieles ist besser geworden, aber nichts ist gut genug, dass man sich damit zufrieden geben könnte", sagte er.

Mehrere italienische Banken haben große Mengen fauler Kredite und brauchen frisches Kapital. Italien ist als Staat zudem sehr hoch verschuldet.