Ab Freitag wird Wien zur europäischen Hauptstadt für die Behandlung von psychiatrischen Krankheiten: Dann startet nämlich der größte Fachkongress für Neuropsychopharmakologie, dem Einsatz von Medikamenten bei psychiatrischen Erkrankungen. Eines der wichtigsten Themen dort wird ein neues "Wundermittel" zur Behandlung von Depressionen sein: Ketamin.

Das aus der Chirurgie bekannte Narkosemittel holt Menschen sehr schnell aus ihrer Depression und verdrängt suizidale Gedanken, wie Siegfried Kasper, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien sagt: "Ketamin wirkt bereits nach zehn bis 20 Minuten und hellt die Stimmung auf."

Narkosemittel Ketamin

Jahrzehntelang war der Arzneistoff Ketamin in der Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt worden. Patienten mit einer Ketaminnarkose ging es am nächsten Tag aber deutlich besser als mit einem anderen Anästhetikum. Daher wurde die Verwendung für die Psychiatrie - in Dosen zweimal pro Woche - adaptiert und wird nun als neue Wunderwaffe gegen Depression bezeichnet. „Im Moment forschen wir an einem Nasenspray auf Ketamin-Basis, damit wird die Leber geschont und der Wirkstoff kann direkt über die Schleimhäute auf kürzesten Weg ins Hirn“, erklärt Kasper.

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Partydroge Ketamin

Ketamin ist aber nicht nur Narkosemittel: Unter dem Namen "Special K" ist es als Partydroge im Umlauf. Das schürt Bedenken, ob das neue Wundermittel nicht als Suchtmittel missbraucht werden kann. Husseini Manji, der bei der Pharmafirma Jannsen an der Entwicklung eines Ketamin-Nasensprays arbeitet, ist sich dieser Gefahr bewusst, weshalb die Abgabe streng reguliert werden soll: Patienten sollen den Wirkstoff nicht mit nach Hause bekommen, sondern nur in einer Ambulanz verabreicht bekommen. "Dann muss der Betroffene für ein bis zwei Stunden in der Ambulanz bleiben, denn Ketamin kann kurzzeitig zu dissoziativen Störungen führen", sagte Manji bei einer Forschungspräsentation. Das sind Störungen der Wahrnehmung, die laut Manji aber mit der Zeit abnehmen.

Manji sieht aber keine Suchtgefahr des Wirkstoffes, denn: Im Unterschied zu anderen Suchtmitteln, bei denen man immer mehr der Substanz in kürzeren Abstände bräuchte, um das "Down" nach dem "High" wieder zu überwinden, halte die Wirkung von Ketamin immer länger an. In der Folge könne man die Abstände, in denen der Wirkstoff eingenommen wird, immer weiter vergrößern.

Volkskrankheit Depression

Die Depression ist eine Volkskrankheit: Jeder fünfte Österreicher hat die biologischen Voraussetzungen für eine mögliche Erkrankung in sich, bei 10 Prozent der Bevölkerung bricht die Krankheit aus . „Heutzutage werden Depressionen schneller erkannt und früher behandelt, die Zahl der Erkrankungen ist aber, obwohl es oft so wirkt, kaum gestiegen", sagt Kasper.

Vergleichen könne man Depressionen am ehesten mit anderen chronischen Krankheiten, wie Rheuma oder Diabetes. Oftmals ist der Erstausbruch zwischen 40 und 50 Jahren. "Ausgelöst werden sie nicht, wie oft vermutet, durch Stress oder traumatische Erfahrungen, sondern durch das was wir Lebensereignisse nennen, wie Jobwechsel, Umzug oder Auszug der Kinder“, sagt Kasper.