Sie sind Hauswände hinaufgeklettert, haben sich und das Batmobil an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht und auch sonst keine Mühen gescheut, um das Verbrechen zu bekämpfen: Ende der 60er-Jahre folgten Superhelden wie Batman und Robin noch dem Motto: „Edel sei der Held, hilfreich und gut.“
In der legendären Serie taugt die zweibeinige Fledermaus noch zum Vollzeitpädagogen, der im violetten Futterseidencape seinen Adlatus Robin auch in der brenzligsten Situation kurz zur Seite nimmt, um ihm die Grundlagen des Superheldenkodex gewissenhaft zu erläutern: „Robin, wenn man vor der Wahl steht, einen Verbrecher zu verhaften oder einem Menschen das Leben zu retten, dann muss man immer das Leben retten, kapiert?“ – „Klar, Batman, du hast wieder einmal recht!“ Heiliger Schlaumeierspruch!



 Ein halbes Jahrhundert später schaut es an der Superheldenfront mit dem Helfersyndrom eher düster aus. Im aktuellen Marvel-Streifen „Captain America: Civil War“ kracht es nämlich auf der Kinoleinwand nicht nur bei den Special Effects, sondern auch zwischen den Helden selbst. Die ehemals eingeschworene Gemeinschaft hat sich in zwei Lager geteilt, liefert sich einen erbitterten Kampf. Auslöser ist der Wunsch der Regierungen, die Superhelden und ihre Kräfte durch eine eigene Behörde überwachen zu lassen. Wo Iron Man (Robert Downey jr.) einen Sinn sieht, befürchtet Captain America (Chris Evans) Manipulation, der Streit endet nicht im Debattierklub, sondern in der Kampfarena.

Schenken sich nichts: Captain America gegen Ironman
Schenken sich nichts: Captain America gegen Ironman © Marvel/Disney


Ja dürfen die das? Unbedingt! Denn der Blick hinter die Superhelden-Kulisse ist eigentlich Genre-Pflicht: „Superhelden-Comics sind fast immer sehr psychologisch“, erklärt Comic-Zeichner Harald Havas, der jüngst mit Captain Austria den ersten heimischen Superhelden konzipiert hat. „Man nimmt das teilweise nicht so ernst, weil da Typen in bunten Kostümen herumlaufen und Superkräfte haben, aber es geht immer auch um Identitätskonflikte, wie etwa den Umgang mit unkontrollierten Kräften. Ohne persönliche Aspekte wären Superheldencomics völlig uninteressant.“


Nicht zuletzt bei Batman wird diese Wandlung vom einstigen steif hinter der Gesetzeslinie stehenden Helfer zum permanent über Grenzen gehenden Rächer sichtbar: „Ein anderes Wort für Superhelden, das sich vor allem im US-Raum durchgesetzt hat, ist Vigilant. Das sind Leute, die das Recht in die eigene Hand nehmen“, sagt Havas. Er führt eine Marvel-Figur ins Treffen, die im Februar die Massen in die Kinos lockte: „Deadpool zum Beispiel ist ein Berufskiller. Es wird dann zwar immer noch irgendwie so gedreht, dass es sich moralisch ausgeht, aber von der Anlage her ist er nicht unbedingt ein Held.“

Kassenmagneten

Dem Publikum scheint die Genese hin zum vielschichtigen Superhelden jedenfalls zu gefallen: Allein auf dem US-Markt haben Filme, die auf Comic-Superhelden basieren, in den letzten zehn Jahren 4,7 Milliarden eingespielt. Drei der zehn Filme mit den höchsten Einspielzahlen aller Zeiten haben als Comic angefangen: „Marvel’s The Avengers“ (2012), „Avengers: Age of Ultron“ (2015) und „Iron Man 3“ (2013). Gab es anfangs der Verfilmungswelle noch tiefe Gräben zwischen Film und Heft, so hat sich das längst geändert, wie auch Havas bestätigt – Kinogeher greifen vermehrt zum Papier. Comics erleben eine echte Renaissance.


Auf der Erfolgswelle surfen auch Harald Havas und sein Team: Mit „Wiener Blut“ ist seit Anfang April das erste Heft der „Austrian Superheroes“ auf dem Markt. Super sind die Reaktionen der Leser, aber auch die Nachfrage, wie Havas erzählt: „Die Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen. Als wir das Projekt mithilfe von Crowdfunding begonnen haben, sind wir noch von einer Auflage von 2000 bis 3000 Stück ausgegangen.“ Mittlerweile liegt man bei 7000 Stück, für den Vertrieb konnte Morawa gewonnen werden.
Längst hat Captain Austria, der mit Lady Heumarkt, Donauweibchen und Bürokrat, das Böse in der Alpenrepublik in Schach hält, eine steigende Zahl an Fans – ein Nachdruck vom ersten Heft steht im Raum.

Mehr Helden für das Land: Captain Austria, Lady Heumarkt, der Bürokrat und das Donauweibchen
Mehr Helden für das Land: Captain Austria, Lady Heumarkt, der Bürokrat und das Donauweibchen © Austrian Superheroes

Entworfen wurde der Superheld nach klassischem Rezept, gewährt Havas Einblicke: „Wenn man das Genre als eigenes Medium in Österreich etablieren möchte, dann muss der Held möglichst viele Ingredienzen aufweisen, die ein Superheld haben sollte: Maske, Kostüm, Cape, Scheinidentität, Superkräfte und Supergadgets am Gürtel.“ Fast ein Jahr haben die Vorarbeiten zu Captain Austria gedauert. Das Erstellen des Heftes nochmals bis zu sechs Wochen in einem sechsköpfigen Team. Vier Hefte sind zunächst geplant, Heft Nummer zwei erscheint Ende Mai.

Die Genese eines Superhelden: Captain Austria
Die Genese eines Superhelden: Captain Austria © Austrian Superheroes

Die dritte Ausgabe führt die Austrian Superheroes zwei Monate später sogar nach Graz: Der steirische Comic-Zeichner Jörg Vogeltanz, der Teil des ASH-Zeichenteams ist, wird die Landeshauptstadt prominent in den Mittelpunkt rücken – steirischer Superheld in Pension inklusive. Gut, müssen wir nicht länger auf Batman hoffen. Der hat in seiner Heimat genug zu tun, den Wahlkampf wird er sich wohl sparen, hat er doch schon in den 60er-Jahren in einer der TV-Folgen eine messerscharfe Analyse abgeliefert: „Ich bin überzeugt, dass die amerikanische Wählerschaft reif genug ist, um nicht auf billigen Varietézauber hereinzufallen. Denn würden unsere Regierenden aufgrund listiger Slogans und Plakate gewählt, dann wäre es ja um unser Land schlecht bestellt, nicht wahr?“ Wir sollten wirklich öfter auf Superhelden hören.