Mit den Gurre-Liedern von Arnold Schönberg hat die Grazer Oper am Sonntagabend die Saison glanzvoll beendet. Gleichzeitig gab der neue Chefdirigent Dirk Kaftan mit dem Monumentalwerk seinen gelungenen Einstand, bündelte er doch die gewaltigen Musik- und Gesangsströme zu einem wirkungsvollen Ganzen. Die Sänger zeigten in den teilweise kurzen, aber nicht einfachen Partien sehr schöne Leistungen.

Hundert Jahre hat es gedauert, bis Schönbergs dreiteiliges Werk, dessen Text auf einer dänischen Sage basiert, nach Graz gefunden hat. Uraufgeführt 1913, wurde es großteils bereits 1901 vom Komponisten fertiggestellt und ist daher noch sehr stark der romantischen Ausdrucksweise verhaftet. Das Thema - eine Liebe, die sich gegen gesellschaftliche Normen wendet und sich nicht erfüllen darf - gestaltete Schönberg musikalisch ungemein facettenreich, von der zarten Naturschilderung bis zum strahlenden Schlusschor ist alles vorhanden und stellt für die Ausführenden eine große Herausforderung dar.

Dirk Kaftan hatte das Werk eher kurzfristig übernommen, nachdem sein Vorgänger Johannes Fritzsch Anfang des Jahres überraschend die Grazer Oper verlassen hat. Doch der neue Chefdirigent hatte die Massen gut im Griff, auch wenn im Laufe des Abends die Lautstärke oft ein wenig überhandnahm und zeitweise die Transparenz des ersten Teils etwas verloren ging. Das Grazer Philharmonische Orchester stellte unter Beweis, dass es - abgesehen von Feinarbeit an Details, die man noch leisten könnte - durchaus in der Lage ist, auch ein solches Werk mit Bravour zu meistern.

Als Dänenkönig Waldemar war John Treleaven für den erkrankten Herbert Lippert eingesprungen und entledigte sich dieser schwierigen Aufgabe mit Anstand. Wunderbar zarte und innige Töne fand Gal James als Tove, die sich vom verliebten Mädchen zur von Todesahnungen erfüllten Frau wandelt. Samtig-dunkel gestaltete Dshamilja Kaiser ihr Lied der Waldtaube und machte die Erzählung von Toves Tod zu einem schaurig-intensiven Höhepunkt des Abends.

Davis McShane als geradliniger Bauer und Manuel von Senden als abgründiger, höhensicherer Klaus-Narr setzen Akzente, und August Zirner überzeugte als Sprecher mit Musikalität und gekonnten Umgang mit dem Text. Chor und Extrachor der Oper Graz sowie der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien trugen zum ausbalancierten Klangrausch ihren Teil bei und wurden ebenfalls bejubelt.