Freundlich aber mit der erwarteten kritischen Haltung am geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) wurde am Montag in Wien EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström bei einer Publikumsdiskussion empfangen. Malmström verteidigte nicht nur den reformierten Investitionsschutz, sondern auch den Schutz der öffentlichen Dienstleistungen und die erhöhte Transparenz der Verhandlung.

Malmström betonte bei einer Veranstaltung der Arbeiterkammer, dass Brüssel den österreichischen Bedenken zugehört und daraus gelernt habe. Die Transparenz sei schon verbessert worden, der neue Investorenschutz (ICS) werde auch garantieren, dass österreichische Unternehmen in den USA fair behandelt werden.

Sorge um soziale Standards

Die regulatorische Kooperation, eines der Hauptziele des Abkommens, werde zu keinen Verschlechterungen der Standards für Konsumenten oder bei der Lebensmittelsicherheit führen. Die Standards könnten nur verbessert werden, versprach Malmström. TTIP werde auch deshalb gemacht, weil sich die Welt verändere, und der Anteil Europas und der USA am Welthandel sinke. "Es geht darum, unseren Platz in der Welt zu finden", so Malmström.

Mit dem geplanten Handelsabkommen solle nur Konzerninteressen zum Durchbruch verholfen werden, kritisierte Gastgeber AK-Präsident Rudolf Kaske. Dagegen sollen weder soziale Mindeststandards, noch solche für Beschäftigte oder für die Umwelt eingeführt, noch der Erhalt heimischer öffentlichen Dienstleistungen garantiert werden, befürchtet Kaske.

Für die Handelsexperten bestehe die Welt nur aus Handelshemmnissen, die abgebaut werden müssten. Es müssten aber auch Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer und Verbraucher nicht nur bestehen bleiben, sondern auch ausgebaut werden. So habe etwa die Daseinsvorsorge - sie betrifft etwa Wasser, Gesundheit, Bildung und andere soziale Dienstleistungen - nichts in TTIP zu suchen und müsse vollständig ausgenommen werden, auch aus dem geplanten Dienstleistungsabkommen (TiSA).

Ein "Nein" gab es vom AK-Chef auch für Sonderklagsrechte für Konzerne. Ein aus den Fugen geratenes System lasse sich nicht reformieren. Auch die neu vorgeschlagenen Investitionsschiedsgerichte (ICS) seien mit ordentlichen Gerichten nicht zu vergleichen und unnötig, da die USA und Europa über hochentwickelte Rechtssysteme verfügten, so Kaske.

Zusagen gefordert

Diskussionsteilnehmerin Renate Anderl (ÖGB) forderte eine schriftliche Zusage ein, dass die Daseinsvorsorge von TTIP nicht betroffen sein wird. Dass das Abkommen Arbeitsplätze sichere und zu Wirtschaftswachstum führe, sei derzeit auch nicht gesichert, meinte sie.

Ein Vertreter von KMU gegen TTIP wies darauf hin, dass etwa durch das Nafta-Handelsabkommen viele Arbeitsplätze vernichtet worden seien. Ein anderer Diskussionsteilnehmer kritisierte, dass die EU nicht bereit gewesen sei, Suchtmittel vom Abkommen auszunehmen. Ein dritter Teilnehmer fragte Malmström, auf welcher Rechtsgrundlage Investitionen von Konzernen geschützt werden sollen, warum Konzernrechte über jenen von gewählten Parlamenten stehen sollen.

Leonore Gewessler von Global2000 kritisierte, dass Handelsinteressen vor gesellschaftliche Interessen gestellt werden. Ein Problem sehe sie auch darin, dass in Europa das Vorsorgeprinzip gelte, also alles solange verboten sei, solange nicht bewiesen ist, dass es keinen Schaden anrichte. In den USA sei es aber umgekehrt.

Konzerne können Staaten klagen

"Wir haben den Eindruck, dass wir nicht gehört werden", meinte Alexandra Stricker von attac Österreich. Man sei weit von einem demokratischen Prozess entfernt. Auch den neuen Investorenschutz kritisierte sie: "Im Kern ist das das Gleiche wie vorher, das Grundproblem bleibt bestehen: ausländische Konzerne können Staaten klagen".

"Wir tun das, weil wir überzeugt sind, dass wir neue Jobs generieren", sagte Malmström in Beantwortung der Diskussionsbeiträge. 80 Prozent der Jobs in Österreich würden aus dem Export kommen. Die USA sei ein wichtiger Handelspartner. Auch andere Abkommen hätten Jobs geschaffen. Alles was in der EU verboten sei, sei auch in TTIP verboten. Zum Thema regulatorische Kooperation meinte sie: "Wenn wir die Standards nicht setzen, dann tun es die anderen". Nichts in TTIP oder TiSA werde zudem eine Nation zwingen, etwas zu privatisieren oder zu verkaufen.

Bures: Kein Abschluss an Parlament vorbei

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hat heute bei ihrem Treffen mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström einen eigenen TTIP-Leseraum im Parlament gefordert. "Ein eigener Leseraum würde den starken verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechten des österreichischen Nationalrats Rechnung tragen", so die Nationalratspräsidentin in einer Presseaussendung der Parlamentskorrespondenz.

Für die Parlamentarier soll es darüber hinaus weitere Verbesserungen geben: So werden die Öffnungszeiten des Leseraums im Wirtschaftsministerium bei Bedarf erweitert und Dolmetscher sollen bei der Lektüre der komplexen Texte zur Seite stehen. Neu ist auch, dass Abgeordnete in Zukunft ein Briefing nach jeder TTIP-Verhandlungsrunde erhalten werden. Eine erste Briefing-Veranstaltung mit Vertretern der Europäischen Kommission werde bereits nach der aktuellen 12. TTIP-Verhandlungsrunde stattfinden, heißt es. Darauf hätten sich Bures und der zuständige Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) verständigt.

Bures verwies auch auf einen Entschließungsantrag des österreichischen Nationalrats vom September 2014, der mit großer Mehrheit angenommen wurde: Darin wird neben inhaltlichen Forderungen, wie etwa der Schutz öffentlicher Dienstleistungen, auch größtmögliche Transparenz in den Verhandlungen eingemahnt.

Außerdem hat sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, TTIP als sogenanntes "gemischtes Abkommen" zu klassifizieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Freihandelsabkommen den nationalen Parlamenten zur Genehmigung vorgelegt werden muss. "An den nationalen Parlamenten und ihren Abgeordneten vorbei darf es keinen Abschluss geben", so Bures. Diese Position sei mit dem zuständigen Wirtschaftsminister Mitterlehner im Vorfeld des Treffens mit Malmström akkordiert worden.

Mitterlehner hofft auf "gutes Abkommen"

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat sich am Montag für ein "gutes" Handelsabkommen zwischen der EU und den USA "mit nachprüfbaren Erfolgen" ausgesprochen. "Das, was wir kritisch hinterfragt haben, soll sich auch im Abkommen widerspiegeln", sagte Mitterlehner in Wien bei einem gemeinsamen kurzen Pressegespräch mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Mitterlehner sieht im Handelsabkommen, dessen 12. Verhandlungsrunde heute in Brüssel begonnen wurde, für beide Seiten eine Chance, ihre Wirtschaftsbeziehungen zu beleben und eine "Win-Win"-Situation zu entwickeln. "Das sollten wir gerade angesichts der Wirtschaftskrise nutzen", so der Wirtschaftsminister.

Ob das Abkommen noch während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama fertig wird, steht allerdings in den Sternen. Man arbeite zwar hart daran, wichtiger als ein "schnelles" sei aber ein "gutes" Abkommen, betonte Malmström.

"Hauptbedenken kommen aus Österreich"

Die EU-Handelskommissarin befindet sich den ganzen Tag in Wien, um für TTIP Werbung zu machen. "Die Hauptbedenken kommen aus Österreich, hier scheint TTIP am meisten kontroversiell diskutiert zu werden", so Malmström. Am Vormittag stellte sie sich bereits einer Diskussion mit TTIP-kritischen Vertretern der Arbeiterkammer, des ÖGB und von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO). Am Nachmittag folgten Treffen mit Parlamentariern und Wirtschaftsvertretern.

"Die österreichische Diskussion ist sehr sensitiv und emotional", meinte Malmström. Sie sei vor allem gekommen, um zuzuhören, und werde versuchen, die Bedenken aufzunehmen. Malmström versprach einmal mehr, dass es durch TTIP zu keiner Verschlechterung der europäischen oder österreichischen Standards kommen werde. Auch sei der viel kritisierte Investorenschutz (ISDS) reformiert worden.

Der EU-Vorschlag eines Investitionsgerichtshof (ICS) soll laut Mitterlehner und Malmström auch im bereits fertigverhandelten Handelsabkommen CETA mit Kanada "eingearbeitet" werden. Es gebe dazu bereits Gespräche mit den "kanadischen Freunden", um sie in diese Richtung zu drängen, meinte Malmström. Die Verhandlungen müssten dazu nicht wieder geöffnet werden. "Deshalb sind wir sicher, dass im Rat der Handelsminister und in Österreich ein gutes Abkommen vorgelegt werden kann, das die Fortschritte berücksichtigt", so Mitterlehner.

USA als wichtiger Handelspartner

Die USA seien für Österreich wichtigster Handelspartner außerhalb der EU, betonten Malmström und Mitterlehner. Etwa 100.000 Jobs würden davon abhängen. Bereits im Vorfeld dieser Verhandlungen hätten sich die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA verbessert, meinte Mitterlehner. Im Vorjahr seien die Ausfuhren in die USA bis November um knapp 17 Prozent auf 8,4 Mrd. Euro gestiegen. Mit TTIP könnten sich diese Handelsbeziehungen noch weiter nach oben entwickeln.

Die Tendenz der Diskussionen in Österreich hinsichtlich TTIP hat sich laut Mitterlehner zuletzt eher noch verschlechtert. Ein Grund dafür sei, dass es bisher nur Zwischenergebnisse und noch nicht abgeschlossene Kapitel gebe. Andererseits könne den von den Medien kolportierten Befürchtungen nicht endgültig entgegengetreten werden, weil es nur um Zwischenergebnisse gehe.

Bei den drei Hauptproblemthemen handelt es sich laut Mitterlehner einerseits um das Thema Kommunikation und Transparenz. Dazu sei jetzt ein Leseraum eingerichtet worden, der aber nur sehr spärlich in Anspruch genommen werde. 15 Anmeldungen gebe es bisher.

Das zweite kontroversielle Thema sei die gesamte Frage der Standards. Mit dem "Right to regulate" und dem System der doppelten Anerkennung gebe es an sich die Garantie, dass die Standards in Österreich nicht verschlechtert werden. Die Diskussionen um Gentechnik und Hormonfleisch entbehrten deshalb jede Grundlage.

Beim dritten Thema, dem Investitionsschutz für Investoren, habe man sich schon sehr bewegt und ein Gerichtsverfahren mit Berufsrichtern, einem Berufungssystem und anderem mehr entwickelt. "Aus unserer Sicht ist es zu guten Verbesserungen gekommen", so Mitterlehner.