Grazer Unternehmen haben sich Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion der städtischen Wirtschaftsabteilung zum Thema "Flüchtlinge - eine Chance für die Wirtschaft" mehr Flexibilität in der Gesetzgebung gewünscht. Manche würden gerne junge Asylsuchende aufnehmen, dürfen es aber nach den momentan geltenden Regelungen nicht. Besonders die Möglichkeit von "Schnupper-Tagen" sei dringend nötig.

Rückenwind bekamen die Wirtschaftstreibenden vom Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) Steiermark, Karl-Heinz Snobe: "Die Politik muss das Schnuppern ermöglichen." Dominik Santner, Director of Service beim Messtechnikhersteller Anton Paar GmbH schilderte die Erfahrungen, die das Unternehmen mit dem Projekt "come in" macht. Im Herbst adaptierte das Unternehmen ein leerstehendes Bürogebäude zu einer Flüchtlingsherberge. Mittlwerweile wohnen dort 39 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Betreut werden sie von "alpha nova". Anton Paar kommt für die Infrastruktur auf, so bleibt alpha nova mehr Geld, z.B. für Deutschkurse. Bis zu 20 Stunden pro Woche wird Deutsch gelernt. "Die Jugendlichen wollen lernen. Manche gehen in die Schule. Viele wollen arbeiten. Viele sind talentiert. Wir haben das Glück, dass der Beruf Zerspanungstechniker auf der Liste der Mangelberufe steht. Jetzt überlegen wir, für eine Lehre geeignete Burschen zu finden, denen der Beruf zusagt, so dass sie Freude daran haben, dieses Handwerk zu lernen. Um das herauszufinden, wäre ein klassisches Schnuppern geeignet. Der Gesetzgeber erlaubt das derzeit aber nicht. Lehre geht, Schnuppern nicht."

Mangelberufe

Die Flüchtlinge könnten bei Anton Paar als Zerspanungstechniker anfangen - ein Job, der als Mangelberuf gilt und daher seitens des Gesetzgebers für Asylsuchende unter 25 Jahren als Lehrplatz erlaubt ist. Anders ist dagegen die Situation für Günter Kneffel von der ams AG in Unterpremstätten: Beim Mikroelektronik- und Halbleiterhersteller gibt es keine Arbeitsplätze in ausgewiesenen Mangelberufen. Dennoch will das Unternehmen gerne Flüchtlinge aufnehmen und damit eine bessere Chance auf Integration geben, darf es aber nicht: "Wir wünschen uns ein Höchstmaß an Flexibilität. Es wäre ja nicht Österreich, wenn ein Gesetz nicht auch Ausnahmen zulassen würde", appellierte Kneffel, Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates bei der börsenotierten ams AG.

Snobe versuchte mit einigen Zahlen, Angst vor mehr Flüchtlingen am Arbeitsmarkt zu nehmen: "Wir haben momentan ein paar Hundert beschäftigte Asylberechtigte. Die nehmen niemanden in der Steiermark den Job weg." Derzeit sind 1180 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte steiermarkweit ohne Arbeit, das sind knapp zwei Prozent aller Arbeitslosen inklusive Menschen in Schulung, so der AMS-Geschäftsführer. 71 Prozent von ihnen wohnen in Graz und Umgebung, die größte Gruppe machen Tschetschenen aus.

Viele Analphabeten

Dem Kompetenzcheck aus Wien, bei dem knapp 900 Flüchtlinge nach ihrer Ausbildung befragt wurden, konnte Snobe nur wenig Aufschluss abgewinnen: "Das waren Freiwillige. Bei uns gibt es aber tatsächlich einen deutlich größeren Anteil mit nicht verwertbaren Qualifikationen. Der Anteil der Analphabeten ist erschreckend hoch. Viele waren als Händler oder Handwerker tätig und haben dafür keine Ausbildung." Er gehe davon aus, dass bei diesen Menschen erst nach zumindest sechs Monaten Schulungen eine Integration am Arbeitsmarkt sinnvoll sei - "bei vielen wird es viel länger dauern".

Franz Kremser von den Lehrlingshäusern Steiermark bekräftigte, dass die Entscheidungsträger nicht nur A, sondern auch B sagen müssen: "Die Flüchtlinge sind nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu integrieren." Je früher Qualifikationen erkannt werden, desto besser. Sie sollten auch rasch wieder eingesetzt werden, sonst drohe "De-Qualifikation", erklärte die Wiener Arbeitsmarkt-Ökonomin Julia Bock-Schappelwein. Sie nahm auch Bezug auf die Branchen-Einschränkung für arbeitswillige Asylwerber. Derzeit dürfen diese nur im Tourismus und in der Landwirtschaft - etwa als Erntehelfer - arbeiten. Sie empfahl die Beschränkung aufzuheben. Besonderes Augenmerk gelte nun dem seit 1. Jänner ermöglichten freiwilligen Integrationsjahr: Nach Vorbild des "Freiwilligen sozialen Jahres" sollen anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ein Jahr lang bei einer NGO Dienst tun, damit sie die Sprache lernen und Netzwerke knüpfen.