Mittwochabend um 20 Uhr (mitteleuropäische Zeit) war es so weit: Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank Fed, gab die erwartete Erhöhung der Leitzinsen bekannt. Es war die seit Monaten erwartete „Zinswende“ – die erste Anhebung seit fast zehn Jahren. Die Zinsspanne in Amerika beträgt nun 0,25 bis 0,5 Prozent. Zuvor lag dieser Referenzzinssatz zur Geldversorgung der Geschäftsbanken seit Ende 2008, dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise, bei null bis 0,25 Prozent.

Fed-Zinsausblick dämpft Nervosität der Anleger

Die unmittelbaren Wirkungen betreffen zunächst nur die US-Wirtschaft und all jene, die etwa in Asien, Lateinamerika oder Osteuropa ihre Kredite in US-Dollar laufen haben. Weiters hat sie große Bedeutung für internationale Geschäfte und Rohstoffmärkte, die in Dollar laufen.

Wirtschaftlicher Optimismus

Für die Wirtschaft der EU ist eher das psychologische Momentum interessant: Die Ära des billigen Geldes mit „Nullzinsen“ ist damit im Dollarraum beendet. Und die Fed strahlt mit diesem Schritt indirekt einen wirtschaftlichen Optimismus aus: Hinter der Zinserhöhung steckt implizit die Erwartung, die US-Realwirtschaft werde nun stark genug sein, die höheren Zinsen und den stärkeren Dollar zu verkraften.

Fed beendet mit Zinserhöhung Ära des billigen Geldes

Wird die Europäische Zentralbank EZB nachziehen? Nein, sagen die Experten. Denn erst vor wenigen Tagen, am 3. Dezember, hatte EZB-Chef Mario Draghi den gegenteiligen Kurs neuerlich „einbetoniert“, indem er ankündigte, das Anleihe-Aufkauf-Programm zumindest bis März 2017 fortzusetzen. Das bedeutet, dass die EZB weiterhin die Märkte mit billigem Geld flutet und die Zinsen niedrig hält.

Schwacher Euro stützt Exporte

„Je mehr die Fed die Zinsen anhebt, umso weniger hat die EZB einen Handlungsbedarf“, kommentiert etwa Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek den Zinsschritt. Denn der schwächere Euro werde den europäischen Exporten nützen. Brezinschek meint, Draghi werde nun die angekündigte Ausweitung der Anleihe-Aufkäufe womöglich gar nicht benötigen.

Unmittelbar gibt es für heimische Sparer durch den US-Zinsschritt keine Auswirkungen – das betont auch Gerhard Fabisch, Präsident des Sparkassenverbandes. „Erst wenn die Fed den Pfad der Zinserhöhungen fortsetzt, könnte sich auch die EZB zu einem Zinsschritt gezwungen sehen“, sagt Fabisch. Er zieht damit einen etwas anderen Schluss als Brezinschek. Fabischs Begründung: „Der Zinsunterschied zwischen Europa und Amerika darf auf Dauer nicht zu groß sein, sonst fließt Geld der Investoren in die USA ab.“

Aktienmärkte beflügelt

In Europa gibt es freilich stark unterschiedliche Meinungen zur erwünschten Geldpolitik. Die stark verschuldeten Staaten Südeuropas wollen lieber bei Nullzinsen bleiben, Deutschland drängt auf eine Erhöhung. „Auch wir wünschen uns klar höhere Zinsen, das würde auch den Sparern nützen“, betont Fabisch.

Die Aktienmärkte werden durch die US-Zinserhöhung beflügelt, doch war der Schritt erwartet worden und wurde daher bereits in den letzten Tagen eingepreist. Allerdings bleibt es im Jahr 2016 spannend, da nicht ganz klar ist, wie viele weitere Zinsschritte in den USA noch folgen. Brezinschek: „Der Markt vermutet überwiegend zwei weitere Erhöhungen um jeweils ein Viertelprozent bis Ende 2016. Es könnten aber auch vier oder sogar noch mehr Zinsschritte werden.“

ERNST SITTINGER