Finanzmarktprofis schauen wieder zuversichtlich auf die Konjunktur im Euroraum. Der am Montag veröffentlichte Index der Investmentberatung Sentix stieg im Dezember das zweite Mal in Folge. Das Barometer kletterte um 0,6 auf 15,7 Punkte, wie Sentix zu seiner Umfrage unter gut 1000 privaten und institutionellen Anlegern mitteilte.

Grund für den Rückenwind sei vor allem, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik weiter gelockert habe. Deshalb hätten die Konjunkturerwartungen für die Eurozone gegen den globalen Trend zugelegt. "Ohne EZB-Moos wäre wohl auch hierzulande nicht so viel los", sagte Sentix-Experte Manfred Hübner.

Die EZB hatte wegen der hartnäckigen Mini-Inflation jüngst beschlossen, die Geldschleusen noch weiter zu öffnen. Die Währungshüter weiteten das umstrittene Anleihen-Kaufprogramm um mindestens sechs Monate bis März 2017 aus und senkten zudem den Strafzins für Banken, wenn diese bei der Zentralbank Geld parken.

Draghi wurde gebremst

EZB-Präsident Mario Draghi hat mit vorherigen Andeutungen, nach denen eine weitere kräftige Geldspritze in der Euro-Zone nötig sei, hohe Erwartungen erzeugt. Deshalb waren reagierten die Börsenhändler eher verhalten auf die Ausweitung des Kaufprogramms. Denn Draghis Ankündigunt hatten Bremsbemühungen bei einigen anderen Euro-Zentralbankern ausgelöst, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von Personen, die mit den Diskussionen vertraut sind. Am Ende habe der EZB-Rat sich dazu durchgerungen, die Märkte mit seinen Entscheidungen zu den Zinsen und zur Ausweitung des Anleihenkaufprogramms zu enttäuschen, weil von der Wirtschaftsentwicklung und von der Inflationsfront zuletzt günstigere Nachrichten gekommen seien.

Die EZB hatte am Donnerstag angekündigt, ihr umstrittenes Anleihen-Kaufprogramm auszuweiten und zu verlängern. Zudem müssen die Banken im Euroraum künftig einen etwas höheren Strafzins zahlen, wenn sie überschüssiges Geld bei der Zentralbank parken. Die Europäischen Börsen und der Euro-Kurs waren trotz der expansiven Maßnahmen auf Talfahrt gegangen - an den Märkte man nämlich mit erheblich stärkeren Lockerungen erwartet.

"Draghi hat die Erwartungen absichtlich zu weit hochgeschraubt", kritisierte ein Insider. Damit habe der EZB-Präsident versucht, Druck auf den EZB-Rat auszuüben. Dafür sei er dann von mehreren Zentralbankern im kleinen Kreis kritisiert worden. Sein Ruf als großer Kommunikator habe gelitten. Anders als im vergangenen Jahr, als die Kritiker der Lockerungspolitik vor einer Ratsentscheidung an die Öffentlichkeit gingen, hätten sie dieses Mal eher im Hintergrund gearbeitet und gebremst.

Rücksicht auf US-Notenbank

"Wenn wir zu viel getan hätten, wäre der Euro womöglich auf Parität zum Dollar abgesackt", schilderte ein Eingeweihter Überlegungen, die letztlich die EZB-Entscheidung prägten. Eine so starke Dollaraufwertung hätte die Dinge für die Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, in Hinblick auf die erwartete Zinswende in den USA noch schwieriger gemacht. "Nun aber dürfte die Fed ziemlich gelassen sein", sagte der Insider weiter.

Was den kräftigen Kursrückgang an den Börsen Europas nach der EZB-Entscheidung von der vergangenen Woche angeht, äußerten sich die Experten überrascht. "Uns war bewusst, dass es eine Marktreaktion geben wird, aber sie ist um einiges deutlicher ausgefallen, als wir das angenommen hatten", sagte einer der Insider. Insgesamt habe es dennoch eine ganze Reihe guter Argumente gegeben, es mit der weiteren Geld-Ausweitung nicht zu übertreiben: "Wir haben uns etwas Pulver trocken gehalten. Nun können wir reagieren, wenn es nötig ist."