Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will mit dem Pilotversuch zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs nun Ernst machen. Schelling möchte die Abrechnung der Umsatzsteuer schon länger auf das weniger betrugsanfällige "Reverse Charge"-System umstellen. Den nötigen Antrag bei der EU-Kommission will er am Montag beim Treffen der Euro-Finanzminister einbringen, so Schelling gegenüber der APA.

Schelling verweist auf Schätzungen, wonach durch organisierten "Karussellbetrug" bei der Umsatzsteuer europaweit 17 Mrd. Euro an Steuergeld verloren gehen, in Österreich wären das 500 Mio. Euro. "Das kann man nicht auf der Straße liegen lassen", betonte Schelling. Weil die Mehrwertsteuer EU-Recht unterliegt, muss die Kommission einer Systemänderung aber zustimmen.

Kern des Plans wäre die Umkehr der Steuerschuld bei der Umsatzsteuer (daher "Reverse Charge"): Derzeit können Betrüger Waren zwischen mehreren Ländern im Kreis schicken. Die Umsatzsteuer wird dann vom Lieferanten zwar in Rechnung gestellt und der Empfänger der Ware kann sich das Geld von der Finanz zurückholen ("Vorsteuerabzug"). Der Lieferant führt die Steuer aber nicht an die Finanz ab und meldet Konkurs an. Der Fiskus bleibt auf den Kosten sitzen. Mit dem "Reverse Charge" System würde die Steuerschuld auf den Empfänger der Ware übergehen, der Vorsteuerabzug entfällt.

Österreich hat bereits mehrere besonders betrugsanfällige Branchen auf "Reverse Charge" umgestellt - etwa den Schrotthandel. Das reicht laut Schelling aber nicht aus, zumal die verschiedenen EU-Länder dabei unterschiedlich vorgehen. "Was wir nicht wollen ist, dass man einen Fleckerlteppich entwickelt", betont der Finanzminister. Er will daher nun einen Pilotversuch starten und sämtliche Geschäfte zwischen Unternehmen ("Business to Business") auf "Reverse Charge" umstellen.

Nötig ist der Pilotversuch aus Sicht des Ministers auch deshalb, weil die EU-Kommission den Antrag Österreichs und mehrerer anderer Staaten auf generelle Einführung von "Reverse Charge" abgelehnt habe. Die Kommission habe mitgeteilt, dass eine Änderung der Mehrwertsteuer-Richtlinie im Rahmen der geltenden Verträge nicht möglich sei. "Einen Piloten können sie aber jederzeit genehmigen", hofft Schelling nun auf Grünes Licht für den Feldversuch.

Der Minister will den Antrag daher bei der Sitzung der Euro-Finanzminister am Montag direkt beim zuständigen Kommissar Pierre Moscovici einbringen. Unterstützung erwartet er sich auch von den Niederlanden, die im ersten Halbjahr 2016 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Außerdem will sich Schelling um bilaterale Vereinbarungen mit anderen reformwilligen Ländern wie Tschechien bemühen, um den Informationsaustausch über betrügerische Firmen zu verbessern. Nach Angaben seines tschechischen Kollegen ist die durchschnittliche Lebensdauer eines am Karussellbetrug beteiligten Unternehmens nämlich nur 24 Tage, die kürzeste sogar nur acht Stunden.