Österreich kann seine Spitzenposition in der EU mit der zweitniedrigsten Arbeitslosenrate 2015 laut EU-Frühjahrsprognose nicht halten. Nach den am Dienstag von der EU-Kommission präsentierten Zahlen fällt Österreich mit erwarteten 5,8 Prozent auf Rang fünf hinter Deutschland (4,6 Prozent), Großbritannien (5,4 Prozent), Tschechien (5,6 Prozent) und Luxemburg (5,7 Prozent) zurück.

In der Winterprognose war noch von 5,2 Prozent für Österreich ausgegangen worden. Dies hätte weiterhin Rang zwei hinter Deutschland bedeutet. Dabei hat Österreich seine absolute Spitzenposition als Nummer eins erst vor einigen Monaten an Deutschland abgeben müssen. Mehrere Jahre war die Alpenrepublik mit der niedrigsten Arbeitslosenquote aller 28 EU-Staaten gesegnet.

Hinter den ersten fünf liegen bei den Prognosen für die Arbeitslosigkeit Malta (5,9 Prozent), Estland und Dänemark (je 6,2 Prozent), Rumänien (6,6 Prozent), Ungarn (6,8 Prozent), Niederlande (7,1 Prozent), Schweden (7,7 Prozent), Belgien und Polen (je 8,4 Prozent), Finnland (9,1 Prozent), Slowenien (9,4 Prozent), Irland (9,6 Prozent) und Litauen (9,9 Prozent).

Über der 10-Prozent-Marke rangieren an oberster Stelle Griechenland (25,6 Prozent), Spanien (22,4 Prozent), Kroatien (17,0 Prozent), Zypern (16,2 Prozent), Portugal (13,4 Prozent), Italien (12,4 Prozent), Slowakei (12,1 Prozent), Bulgarien und Lettland (je 10,4 Prozent) und Frankreich (10,3 Prozent).

Wirtschaft und Politik sehen Handlungsbedarf

Die heimische Wirtschaft und die Politik sehen dringenden Handlungsbedarf angesichts der trüben EU-Wirtschaftsprognose für Österreich. "Österreich hat 2014 seinen über ein Jahrzehnt währenden Wachstumsvorsprung innerhalb der EU verspielt. Jetzt fallen wir immer weiter zurück. Das dürfen wir nicht einfach hinnehmen", sagte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl am Dienstag.

SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer forderte in einer Aussendung Ursachenforschung und rasches Handeln. "Nach vielen Jahren, in denen Österreich an der Spitze der europäischen Wirtschaft stand, besteht nun die Gefahr einer schwächeren Erholung", so Krainer anlässlich einer Aussprache mit OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny im Finanzausschuss des Nationalrats. "Eine der Ursachen wird im vergleichsweise geringen Konsum zu finden sein. Mit der Steuerreform wurde bereits eine wichtige Maßnahme, um der Wirtschaft Aufschwung zu verleihen, auf den Weg gebracht." Auch die geringen Investitionen seien mit Sicherheit Teil der Herausforderung. Es gehe um die Ermöglichung privater und öffentlicher Investitionen.

"Österreich kommt nicht vom Fleck"

"Mit wieder nur 0,8 Prozent prognostiziertem Wachstum kommt Österreich einfach nicht vom Fleck und bleibt daher weiter im wirtschaftlichen Abstiegsdrittel in der EU-Liga", kritisierte FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger. "Diese erneut schlechte EU-Prognose sollte aber endlich (Bundeskanzler Werner) Faymann, (Wirtschaftsminister Reinhold) Mitterlehner und Co aus ihrem permanenten Winterschlaf rütteln." Österreich brauche "ein Zukunfts-fittes Gesamtreformkonzept" mit Reformen. Von der rot-schwarzen Steuerreform werde "rein gar nichts übrig bleiben". Kassegger: "Diese Regierung ist einfach nicht lernfähig, daher wird es auch in den nächsten Jahren keine echten Reformen in Österreich geben - somit ist ein weiterer Rückfall Österreichs innerhalb der EU vorgezeichnet."

"Es sind dringend Anreize in Richtung Wachstum, Investitionen und Beschäftigung gefragt. Und es ist alles zu vermeiden, was die Unternehmen in dieser schwierigen Situation zusätzlich behindert", forderte Leitl. Die Unternehmen bräuchten Rahmenbedingungen, um wettbewerbsfähig zu sein. Der Weg dorthin führe über "längst fällige Maßnahmen - insbesondere Bürokratieabbau auf allen Ebenen, eine weitere Lohnnebenkostensenkung, gezielte Investitionsanreize, aber auch notwendige Reformen in den Bereichen Pensionen, Verwaltung und Gesundheit und Bildung". Zudem seien gezielte Anreize notwendig, um die anhaltende Investitionsschwäche zu überwinden.

Sorgenkind Griechenland

Die Aussichten für das Sorgenkind der Eurozone, Griechenland, haben sich in der EU-Frühjahrsprognose vom Dienstag deutlich verschlechtert. So wird das Wirtschaftswachstum gegenüber der Winterprognose - damals 2,5 Prozent - auf nunmehr 0,5 Prozent herabgedrückt. Die Staatsschuld wiederum dürfte auf 180,2 Prozent des BIP steigen, zuvor war noch ein Rückgang auf 170,2 Prozent erwartet worden.

Erst 2016 scheint sich Griechenland demnach langsam erholen zu können. So wird das BIP-Wachstum mit 2,9 Prozent erwartet. Die Staatsschuld sollte demnach dann auf 173,5 Prozent sinken.

Griechenland ist weiterhin im Streit mit der Eurozone über die Fortsetzung des Sparkurses im Rahmen des nunmehr bereits zum zweiten Mal verlängerten zweiten Rettungsprogramms. Sollte keine Einigung erzielt werden, droht dem südlichen Euroland der Bankrott.