Hausbauen war nie die Idee dieser Familie. Die beiden Grazer, die damals bereits ihr erstes Kind erwarteten, waren eigentlich nur auf der Suche nach einer größeren Wohnung, als ihnen 2016 ein sanierungsbedürftiges Einfamilienhaus in ihrer bevorzugten Wohngegend auffiel.

Das zweigeschoßige, rund 250 Quadratmeter große Haus mit dem kleinen Garten hatte damals bald 70 Jahre auf dem Buckel und stand schon länger leer. Mit dem Gedanken, es nicht nur mit einer herkömmlichen Generalsanierung wachzuküssen, sondern gleich in zwei separate Wohneinheiten umzumodeln, hatten sich schon die Vorbesitzer getragen. Es gab deshalb bereits Umbaupläne der Grazer Architektin Petra Roth-Pracher, die den Wünschen des Interessenten-Paares nahekamen. Langer Rede kurzer Sinn: Die Familie erwarb das Anwesen und machte sich gemeinsam mit Roth-Pracher an die Detailplanung des Umbaus. Was dabei herauskam, beschreibt die Architektin so: „Wir haben den Bestand gewissermaßen in der Mitte auseinandergeschnitten und südlich eine Box darübergestülpt. Was neu ist, bekam eine schwarze Außenhaut, das Alte eine weiße.“ Hinzu kam die Idee einer von außen betrachtet „schwarzen Muschel“, die sich innen möglichst hell und freundlich zeigen sollte.

Die Bewohner in ihrem hellen, freundlichen, neuen "Familiennest"
Die Bewohner in ihrem hellen, freundlichen, neuen "Familiennest" © (c) oliver wolf

Als separater Eingang für das neue Obergeschoß wurde straßenseitig ein neues Stiegenhaus errichtet. Oben angekommen gabeln sich dann die Wege und beantworten die Frage: Warum der Umbau, wären Abbruch und Neubau nicht geschickter gewesen? - Es ist die Kombination aus geradlinigem, lichtdurchfluteten Neubau mit Flachdach auf der einen Seite und verwinkeltem, schützenden Raum unter dem alten Dach auf der anderen Seite, die den besonderen Reiz der neuen Wohnung ausmacht. Das zeigt sich schon im Herzstück der Wohnung, dem offenen Koch- Essbereich, der als Box mit einer großzügigen Terrasse nach Südwesten hin auskragt. Nordseitig führen zwei Stufen hinunter zur Couch- und Relaxzone unter der Dachschräge im Altbestand. Der „Nestgedanke“, das Kleinteilige im Altbestand, gefiel der Familie. Unter dem alten Dach - „im Nordtrakt“, sagen die Bewohner - wurde folgerichtig das Elternschlafzimmer mit eigenem Bad und Ankleideraum eingeplant. Was anderswo eine gewöhnliche Gaube ist - die Hausherrin mag Dachflächenfenster nur bedingt -, wurde im Schlafzimmer als eindrucksvolles Bullauge ausformuliert, das die Boxidee des Umbaus noch einmal aufnimmt. Siehe Bild ganz oben links.

Bei den Materialien setzte man auf möglichst viel Erdung: An der Decke zeigen sich die für den Bau der „Box“ verwendeten Dreischicht(holz)platten in Sichtqualität, auf die Böden kam Parkett, und die Außenwände sind lehmverputzt. Das Untergeschoß wurde als eigene Wohnung im Altbestand vom Obergeschoß abgekoppelt. Der ursprüngliche Hauseingang (unmittelbar neben dem neuen) wurde zum attraktiven „Torbogenfenster“ mit Fixverglasung umfunktioniert. Sonst blieben die alten Fensteröffnungen im Wesentlichen unangetastet.

Auch innen wurde mit Gefühl saniert: Wo Wände versetzt wurden, entstanden neue Sichtachsen, so kommt ein Maximum an Licht in den Raum. Die alte Terrasse mit dem steinernen Löwen durfte bleiben. Das Haus hat eben seine Geschichte. Und wenn der neue Rasen und die frisch gepflanzten Bäumchen erst einmal angewachsen sind, wird seine Geschichte einfach weitergehen. Mit zwei Familien unter einem Dach, denn das Untergeschoß wird vermietet.