Vor drei Jahren hat unsere Leserin von ihrem inzwischen verstorbenen Vater ein Grundstück geerbt. Diesen Besitz erreicht die Familie auf einem Weg, der einem Landwirt gehört. Das Fahrrecht wurde im Grundbuch eingetragen. So weit hat alles seine Ordnung. Doch nun wird es kompliziert: Auch der Bauer nutzt diesen Weg, um auf seine Wiese zu kommen; die Fahrbahn wird aber an der Grundgrenze so eng, dass der Bauer mit dem Traktor einen großen Bogen fahren und dabei jedes Mal auch den Grund unserer Leser benützen muss.

Verschmutzte Straße

"Mein Vater hat das Befahren dieser Wiese, im beschriebenen Ausmaß zum Abbiegen, immer geduldet. Muss ich dies weiter tun?", fragt sich die Erbin. Der Bauer hat nämlich kürzlich ein großes Stück Wiese dazugekauft, und nun fürchtet die Leserin, dass „die Belastung für unsere Siedlung viel höher wird. Bereits jetzt wird die Fahrbahn durch den Bauern ständig extrem verschmutzt.“ Wenn es möglich wäre, würde sie das Befahren in Zukunft gerne untersagen.

"Hat diese Nutzung durch den Nachbarn mit stillschweigender Duldung durch den Vater über einen Zeitraum von zumindest 30 Jahren angedauert, so hätte der Nachbar das Recht auf Benützung dieses Teiles der Wiese ersessen", erklärt Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch. Laut dem einschlägigen Experten ist an ein ersessenes Servitut der Erwerber des dienenden Grundstückes dann gebunden, wenn es offenkundig war. Das liege vor, wenn die Wegbenützung für den Erwerber oder Erben zum Zeitpunkt des Kaufs erkennbar war, etwa durch Fahrspuren.

An Servitut gebunden

Oder dem Erwerber war der Umstand bekannt. Wie der Tochter, die im Haus des Vaters gewohnt hat. "Es ist anzunehmen, dass ein vom Nachbarn ersessenes Servitut auch Ihre Leserin bindet", erklärt Reinisch, der aber einschränkt: "Ein ersessenes Servitut berechtigt jedoch nur zur Ausübung des ersessenen Rechtes im Ausmaß der stattgefundenen Ersitzung und darf nicht eigenmächtig erweitert werden!"

Unsere Leserin könnte dem Nachbarn also nur verbieten, über ihren Besitz zu seinem neu gekauften Grundstück zu fahren, nicht aber zum alten. Die jeweiligen Fahrten exakt zu unterscheiden, zu beobachten und zu beweisen, dürfte aber schwer sein.