Beginnen wir diese Erzählung mit Darshana Raykar und ihrem Lebensgefährten Achyut Hegde. Immerhin leisteten die Inder vor knapp einem Jahr Historisches.

Die beiden, jung und schüchtern in die Kameras lächelnd, übersprangen nämlich an einem August-Tag die magische Marke. Als Besucher Nummer 14.999.999 und 15.000.000 etablierte das Pärchen Swarovskis „Kristallwelten“ endgültig als eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Österreichs. Heute weiß man: Die Wattenser Scheinwelt mit ihren 17 Wunderkammern und der pittoresken Gartenlandschaft eignet sich auch, um das Sein am angrenzend Produktionsstandort der Firmengruppe Swarovski zu überdecken.

Swarovski baut im Herbst 1000 Stellen in Wattens ab“, hieß es am 21. Juli. Eine bittere Pille, die, obwohl vom Betriebsrat vorab befürchtet, doch überraschend verabreicht wird. In Summe sollen bis 2021/22 gar 1800 der 4800 Jobs am Stammsitz wegfallen. Botschaften, die irgendwie nicht so recht zum Konzern mit seiner glanzvollen Historie passen wollen. Zur Geschichte jenes Unternehmens, das Marlene Dietrich in „Blonde Venus“ behübschte, Marilyn Monroes Kleider mit makellosen, brillant geschliffenen Glassteinen ausstattete oder heute von Künstlern wie Madonna, Rihanna und Lady Gaga geliebt wird.

Tief verwurzelt

Vor allem in Wattens wurzelt der Schock tief. Jenem Tiroler Standort, der 1895 von Unternehmens-Gründer Daniel Swarovski auserkoren wurde, weil er sich dort weit genug weg von potenziellen Imitatoren fühlte. Sämtliche Erhöhungen rund um das Werk soll der Glasschleifer abgegangen sein, um ja die Gewissheit zu erlangen, dass niemand durch die Werksfenster ins Innere blicken konnte. Die Familie und der Ort leben seitdem eng umschlungen. Die Swarovski-Straße führt direkt zum Kirchplatz, Diana Langes-Swarovski machte nicht zuletzt als schillernde Präsidentin den Fußballclub WSG Swarovski Tirol zum Bundesligaverein.

Die nunmehrige Entfremdung will in Wattens niemand so richtig verstehen. Auch, weil es prinzipiell schwierig ist, die Unternehmensgruppe zu fassen. Die Zahl der Familienmitglieder ist auf über 200 angewachsen, mehr als 80 sollen Anteile am Unternehmen halten. Wirklich wichtige Entscheidungen werden auch bei Swarovski in kleinerer Gruppe entschieden. Im „Familienrat“ und ohne viel öffentliches Getöse. „Wir kommen aus einer sehr verschlossenen Kultur“, sagte der langjährige Konzernlenker Markus Langes-Swarovski 2018 im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Er, Bruder von Diana, größter Anteilseigner und einer derjenigen, die das Schweigegelübde immer wieder infrage stellten, zog sich Ende März aus der operativen Geschäftsführung zurück.

Schmerzlicher Umbau

Als „Bruch“ sei dies wahrgenommen worden, schildert es Philip Wohlgemuth im Gespräch. Seit damals, erinnert sich der Tiroler ÖGB-Präsident, hätten sich Stimmen aus der Belegschaft gemehrt, die offensichtliche Kritik an den Praktiken der Unternehmensleitung äußerten. Es wachse zudem das Gefühl, dass der aktuelle Jobabbau „aus der Hüfte heraus entschieden wurde“. Dass die Kündigungsgespräche per E-Mail avisiert wurden, stieß selbst dem Chef der Tiroler Wirtschaftskammer übel auf. Eine „Taskforce“ rund um Land, Betrieb, Betriebsrat und AMS wurde eingerichtet. Sie soll Schlimmstes verhindern.

Robert Buchbauer, der neue starke Mann der Konzernspitze, zeigt sich von all dem recht unbeirrt. „Starker Konkurrenzdruck im Kristallkomponentengeschäft setzt uns seit mehr als zehn Jahren stark zu“, erklärte er. Die Coronakrise sei ein massiver Beschleuniger und habe im April und März zu Einbrüchen im Endkundengeschäft von bis zu 90 Prozent geführt.

Der Umbau sei „schmerzlich, aber alternativlose“ und soll weit führen. Geschäftsfelder werden gebündelt, dem Konzern steht eine Umwandlung zu einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft bevor. Die Organisation soll moderner und schlanker werden, der Fokus wieder höherpreisigen Fertigprodukten gelten. Zusehends zur Belastung wurden die weltweit vertriebenen funkelnden Delfine, Mäuse oder Elefanten.
Obwohl es vielleicht gerade sie waren, die Menschen wie Darshana Raykar und Achyut Hegde auf den österreichischen Schmuckspezialisten aufmerksam machten.