Die Causa reicht mehr als fünf Jahre zurück, sie nahm im obersteirischen Pöls ihren Ausgang. Im März 2014 beschädigte eine Explosion im dortigen Zellstoffwerk einen Laugenkessel. Den Zuschlag für die Erneuerung erhielt der steirische Technologiekonzern Andritz AG, der Montage-Auftragswert belief sich auf sieben Millionen Euro. Per Pauschalauftrag wurde die Montagegesellschaft Brodmont aus Kroatien beschäftigt, die rund 200 Arbeitskräfte dafür eingesetzt hatte. Bei einer Baustellenkontrolle stellte die Finanzpolizei aber fest, dass für die eingesetzten Arbeiter des kroatischen Unternehmens weder erforderliche Beschäftigungsbewilligungen noch Lohnunterlagen vorlagen. Die BH Murtal belegte in Folge den Geschäftsführer aus Kroatien sowie vier Vorstände der Andritz AG mit millionenschweren Bußgeldern. Allein für die arbeitsvertragsrechtlichen Verstöße sollten die Kroaten in Summe 3,6 Millionen Euro und die Steirer 2,9 Millionen berappen. Der Strafbescheid fiel aufgrund des Kumulationsprinzips – Mehrfachstrafen für dasselbe Vergehen – derart hoch aus.

Seither tobt ein Rechtsstreit, das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Gerhard Gödl) bat den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung, weil die nationale Sanktion in keinem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen würde.

"Absurde Strafhöhen schädigen Wirtschaftsstandort"

Tatsächlich kippte der EuGH gestern die Sanktionen in diesem und ähnlichen Fällen. Andritz-Vorstandschef Wolfgang Leitner sieht sich in seiner Kritik bestätigt. „Wir begrüßen diese korrigierende Maßnahme des EuGH und halten fest, dass derart absurde Strafhöhen den Wirtschaftsstandort Österreich schädigen“, sagte er zur Kleinen Zeitung. Wie geht’s weiter? „Nach diesem Urteil sind die Verwaltungsstrafverfahren vom Landesverwaltungsgericht fortzuführen.“ Man sei „weiterhin der Auffassung, gegen keine gesetzlichen Bestimmungen und Pflichten verstoßen zu haben“, betont Leitner.
Andritz ist freilich nicht der einzige Konzern, der die Mehrfachstrafen beklagt. 2018 kündigte die damalige Bundesregierung an, das Kumulationsprinzip bei Verwaltungsstrafen aufzuheben. Nach der Entscheidung in Luxemburg muss sich nun die neue Regierung darum kümmern. Zwar fußt die „Laugenkessel-Causa“ noch auf dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, doch auch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sieht Mehrfachstrafen vor.